: Burgfrieden wird aufgekauft
Wagenburg am Volkspark Friedrichshain soll wieder mobil werden. Investor will Hotelbau beginnen. Als Abschiedsangebot will er die Wagenbewohner noch vier Wochen dulden und sogar Pachtzahlungen für ein Ersatzgelände übernehmen. Das aber fehlt
von OLIVER VOSS
„Liebevolle Wagenburg mit Zeckenbefall sucht . . .“ Man macht sich Gedanken um Anzeigentexte. Ein ungewöhnlicher Morgen in der Wagenburg am Friedrichshain. Neben dem Filmtheater befindet sich einer der letzten Plätze dieser Art in der Innenstadt. Noch, denn es herrscht gedrückte Aufbruchsstimmung.
Die Bewohner der Wagenburg sind „müde des Erzählens über die Scheiße“. Am Freitag hatten sie sich mit dem Bezirksbürgermeister von Prenzlauer Berg, Reinhard Kraetzer (SPD), Baustadträdtin Dorothee Dubrau (Grüne) und dem Architekten des Investors Ebertz & Partner getroffen. Die Kölner Immobilienfirma ist Eigentümer des Geländes und will dort ein Hotel plus Seniorenzentrum errichten.
Das Treffen endete mit einer für Wagenburgbewohner wohl einmaligen Erklärung des Investors: Er duldet die Ansiedlung offiziell. Zudem will er auch noch 45.000 Mark bezahlen. Dennoch fühlen sich die Wagenburgler über den Tisch gezogen. Denn die Duldung gilt nur für vier Wochen. Und das Geld gibt es nur zweckgebunden für Pacht- und Mietzahlungen, wenn sich die etwa dreißig Aussteiger vom Acker machen.
Das Geld sei nicht mehr als „Peanuts“ schimpfen die Bewohner. Die Räumungsfrist zudem „extrem kurz“ und die Chancen schlecht, in dieser Zeit etwas zu bekommen. Auf den Kompromiss habe man sich nur eingelassen, weil sonst eine noch schnellere Räumung durch die Polizei gedroht hätte.
Das Bezirksamt will die Suche nach einer Ersatzfläche zwar unterstützen. Doch zeigen die Erfahrungen anderer Wagenburgen, dass eine Umsiedlung selbst mit Zustimmung eines Bezirksamtes illegal sein kann. So durften Rollheimer 1997 in Friedrichshain ein bezirkseigenes Ersatzgrundstück beziehen. Ein Jahr später musste die Burg jedoch aufgelöst werden. Die Eigentümerin eines Nachbargrundstücks hatte erfolgreich gegen die Ansiedlung geklagt.
Nun stehen den Rollheimern nervige Tage bevor. Noch in dieser Woche sollen die Wagenburgler schon einmal Platz machen für die ersten Baufahrzeuge und Wasseranschlüsse auf dem Gelände. Immerhin haben sie schon Umzugserfahrungen. Der Kern der Gruppe flüchtete 1996 von der Wagenburg an der Eastside Gallery, als diese in einer Medienkampagne zum Dreckloch der Stadt stilisiert und kurz darauf geräumt wurde. Den Platz am Friedrichshain besetzten sie nach einer kleinen Odyssee durch die Stadt. Falls sich in vier bis sechs Wochen keine offizielle Alternative findet, müsse man wohl wieder „erst mal was besetzen“, so ein Rollheimer. Wer 5.000 Quadratmeter Innenstadt legal anbieten kann: Tipps an „Laster & Hängerburg, Am Friedrichshain 16 – 18, 10407 Berlin“.
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