piwik no script img

Inflation importiert

Der teure Dollar treibt in der Euro-Zone die Preise: Nicht nur Erdöl, sondern auch das neue Fahrrad wird teurer

BERLIN taz ■ Ein Fahrrad wollte sich die Kollegin kaufen, ein Trekkingrad der Marke Peugeot, 21 Gänge. Kosten sollte es 1.299 Mark. Das war im Juni. Sie ließ sich das Rad zunächst reservieren, wollte noch in einem anderen Geschäft die Preise vergleiche, fuhr dann erst einmal in den Urlaub. Ende Juli stand sie wieder vor dem Peugeot-Trekkingrad. Und staunte nicht schlecht: Denn inzwischen kostete das gleiche Modell hundert Mark mehr.

„Der teure Dollar“, sagte der Verkäufer achselzuckend. „70 bis 85 Prozent der Fahrradteile kommen aus Asien und werden in Dollar bezahlt. Der Rest wird zum Teil in Japan hergestellt. Aus Europa stammen höchstens noch Reifen und Felgen.“ Der Dollar ist seit dem Zeitpunkt der Kalkulation für das Trekkingrad um 26 Prozent gestiegen, der Yen sogar noch stärker. Und die Preise für Importe aus dem Dollar- und Yen-Raum steigen weiter, je tiefer der Kurs des Euro sinkt. Gestern erreichte er einen neuen Negativrekord: Er fiel auf unter 85 US-Cents, in Japan auf 90,7 Yen.

Betroffen sind alle Importe, die in Dollar bezahlt werden müssen: Erdöl, dessen ohnehin stark steigender Preis durch den schwachen Euro noch zusätzlich in die Höhe getrieben wird. Oder Kaffee, der nur deshalb nicht teurer geworden ist, weil der Weltmarktpreis etwa genauso stark gefallen ist wie der Euro.

„Importierte Inflation“ nennen Finanzexperten diese Preissteigerung, die von außen kommt. Für die Europäische Zentralbank ein Dilemma: Einerseits darf sie ihre Zinspolitik nicht am Außenwert des Euro, also an seinem Wechselkurs zu Dollar oder Yen festmachen. Vielmehr muss sie sich an dessen Binnenwert orientieren. Das heißt: Wenn die Preise nicht steigen, sollen auch die Zinsen nicht angehoben werden. Nun steigen die Preise aber wegen des niedrigen Wechselkurses, und der ignoriert, dass die EZB die Zinsen seit fast einem Jahr ständig nach oben gesetzt hat. Da nützt den Zentralbankern die schönste Theorie nichts mehr.

Dass höhere Zinsen einer Währung nicht mehr automatisch auf die Füße helfen, ist kein Zufall: Früher gingen die Experten davon aus, dass sich die Kapitalflüsse vor allem an der Zinshöhe orientieren. Doch mittlerweile wird immer mehr Geld in Aktien angelegt. Und deren Kurse verhalten sich invers zu den Zinsen: Sie steigen, wenn die Zinsen sinken. Das jedenfalls behauptet die Theorie. Aber vielleicht stimmt die ja auch nicht mehr.

KATHARINA KOUFEN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen