piwik no script img

„Bäcker backen Käsefüße“

68 deutsche Städte nehmen am „Car Free Day“ teil. Doch es geht um Pro-forma-Aktionen – im Gegensatz zum Ausland

„In die Stadt – ohne mein Auto!“, „Sie bleiben fit und sparen Sprit“, „Die bewegte Stadt. Wir steigen um!“. Mit solch enthusiastischen Parolen sollten heute eigentlich 68 deutsche Innenstädte für Autos tabu sein. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: „Zuerst wollten wir nur Städte aufnehmen, die weite Teile ihres Zentrums sperren“, sagt Ulrike Janssen vom Klimabündnis in Frankfurt, das zuständig für die Koordination ist.

Mittlerweile habe man sich jedoch mit Sperrungen jeglicher Art, „egal wie klein oder kurz“, zufrieden gegeben. Von der Mitarbeit der Städte ist Janssen enttäuscht. München ist in Oktoberfeststimmung und macht nicht mit. Und auch die anderen Großstädte halten sich zurück. In Frankfurt am Main wird eine Straße am Rathaus geschlossen, die ohnehin nicht groß befahren ist. „Sie werden doch nicht erwarten, dass wir hier Hauptverkehrsadern sperren“, sagt Werner Neumann, zuständig für das „autofreie“ Frankfurt, lachend.

Geplant sind in den 68 Städten lediglich „Alibiaktionen“ wie Sperrungen von Straßenabschnitten für Demonstrationen für autofreie Innenstädte oder Erweiterungen von Fußgängerzonen. Dafür gibt es unzählige Unterhaltungsangebote von „Bäcker backen Käsefüße“ bis hin zu „Sonderfahrten mit Straßenbahnen in die Waschanlage“. Eine Lesung in Düren verspricht eine „Liebeserklärung an die Bahn“, Bad Neustadt vergibt „Aufmerksamkeiten an Dauerkarteninhaber“ im öffentlichen Nahverkehr. Lobenswert indes die Bamberger: Sie sperren alle Kurzzeitparkzonen: Kein Parkplatz, kein Auto. Und eine zumindest ausgefallene Alternative bietet Nürnberg mit „Riding on a Rainbow“.

„In Deutschland sind Straßensperrungen rechtlich nicht so einfach“, erklärt sich Janssen den fehlenden Willen zum Mitmachen. Denn nach der Straßenverkehrsordnung müsse eine Sondernutzung angemeldet werden.

Schaut man nach Europa, hängt der Deutsche allzu sehr an der freien Fahrt in seinem liebsten Kind. Spanien sperrt viele historische Stadtzentren für Autos, in Paris sind einige Hauptverkehrsadern zu. London riegelt unter anderem 1,2 Kilometer der Innenstadtstraßen ab, in Kopenhagen sind zwanzig Verkehrswege geschlossen. Im vergangenen Jahr waren in Frankreich neun Kilometer autofrei, Montreux ließ gar geparkte Fahrzeuge entfernen.

Schon in den Anfängen der deutschen „Car Free Day“-Version legte das Verkehrsministerium „viel Wert auf Freiwilligkeit“, erzählt Edmund Flößer vom Klimabündnis. „Der Verdacht auf Autofeindlichkeit lag nahe und musste von vorneherein beseitigt werden.“ Allerdings hätten viele Städte schon jetzt „intensive Sperrungen für das nächste Jahr“ versprochen. Bis dahin tröstet man sich mit dem Erfolg, den ersten autofreien Werktag zunächst einmal ins öffentliche Bewusstsein gebracht zu haben.INGRID GEGNER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen