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Justiz ohne Pardon

Hohe Strafe für kommunistischen Parlamentarier ist der jüngste harte Urteilsspruch gegen rebellische Franzosen

PARIS taz ■ Dass die Franzosen zu radikalen Methoden greifen müssen, wenn sie sich Gehör bei der Obrigkeit verschaffen wollen, hat eine lange Tradition. Entsprechend groß ist das Verständnis für Sit-ins auf Bahngleisen, für symbolische Geiselnahmen von Personalchefs, für die Zerstörung von McDonald’s-Lokalen und für Kassenbesetzungen in Supermärkten. Jetzt versucht die Justiz das Phänomen mit harten politischen Urteilen gegen politische und gewerkschaftliche Aktivisten aus der Welt zu schaffen.

Am Mittwoch traf ein derartiges Urteil den kommunistischen Parlamentsabgeordneten Maxime Gremetz. Er wurde im nordfranzösischen Städtchen Douai zu zwei Jahren Entzug des passiven Wahlrechts, garniert mit drei Monaten Gefängnis auf Bewährung, verurteilt. Sollte es bei dem Urteil bleiben, wäre die politische Karriere des gemeinsamen Kandidaten von PS und KPF für das Rathaus der Stadt Amiens bei den Kommunalwahlen im Frühjahr vorerst am Ende. Freilich protestierten gestern französische Linke gegen die „Justiz, die sich anmaßt, anstelle der Wähler zu entscheiden“.

Hintergrund des Urteils ist die angebliche Gewalt, mit der der Parlamentarier zu einem Festakt an einer Autobahnmautstelle im April 1998, bei dem sich rechte Politiker feiern ließen, vorgedrungen sein soll. Dass er die Straßensperren vor dem Festakt eigenmächtig umfuhr und sich mit Ellbogen Zugang zu der Versammlung im Festzelt verschaffte, soll ihm jetzt zum Verhängnis werden.

An zahlreichen anderen Orten Frankreichs schlagen gegenwärtig Richter ungewöhnlich hart zu. Zu hohen Geldstrafen verurteilte die Justizokratie beispielsweise den radikalen Sprecher der Marseiller Arbeitslosen, der unter anderem an Besetzungen von Arbeitsämtern beteiligt war, sowie CGT-Gewerkschafter, die ausweislosen Immigranten geholfen hatten, sich vor einer drohenden Abschiebung in Sicherheit zu bringen.

Im zentralfranzösischen Ort Millau urteilte in der vergangenen Woche ein Strafgericht über die elf Mitglieder der Bauernorganisation „Conféderation Paysanne“, die im August 1999 ein McDonald’s-Lokal in der Stadt abgebaut hatten, um gegen das US-Embargo gegen ihren Roquefort-Käse zu demonstrieren. Einige von ihnen kamen bereits damals für mehrere Tage ins Gefängnis. Das härteste Urteil – drei Monate Gefängnis – trifft jetzt ihren Sprecher, José Bové, der seit jener spektakulären „Demontage“ eine internationale Karriere als Globalisierungsgegner angetreten hat.

Ebenfalls vor Gericht führte ein Streik von Eisenbahnern im südfranzösischen Nizza. Am 5. September setzte sich ein Teil von ihnen auf die Gleise, um zu verhindern, dass Streikbrecher aus der Angestelltenetage, die zudem nicht dafür ausgebildet sind, einen Zug fuhren.

Der Großkonzern „Vivendi“, der zwar die Verhandlungen über die 35-Stunden-Woche abgelehnt hatte, reagierte auf die Gleisbesetzung umgehend. 16 Eisenbahner – allesamt CGT-Mitglieder – kamen vor Gericht. Ihnen drohen Geldstrafen wegen „Verhinderung der Freiheit zu arbeiten“. DOROTHEA HAHN

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