Tote Unbekannte

Britischen Behörden gelingt es nicht, die toten chinesischen Flüchtlinge in Dover zu identifizieren

DUBLIN taz ■ Die Nachricht von ihrem Tod war um die Welt gegangen: 58 chinesische Flüchtlinge waren in einem luftdichten Container, in dem sie sich versteckt hatten, im südenglischen Hafen Dover tot aufgefunden worden. Das war vor drei Monaten. Und noch immer liegen die Leichen von 54 von ihnen eingefroren in einer Leichenhalle in der Grafschaft Kent. Niemand hat sie bisher identifiziert. Keine Verwandten haben die Leichen abgeholt, um sie zu beerdigen.

Die Chinesen, die in Großbritannien leben, haben Angst, meint Suresh Grover von der Nationalen Bürgerrechtsbewegung: „Die Leute glauben, dass sie selbst Rechenschaft über ihre Einreise nach Großbritannien ablegen müssen, wenn sie ihre Verwandten identifizieren.“ Deshalb habe sich niemand bei den Behörden gemeldet, sagt Bobby Chan, ein Einwanderungsbeamter, der von vielen betroffenen Familien um Rat gefragt wurde.

Später willigte die Polizei ein, dass wer bei der Identifizierung helfen wollte, nur seine Adresse vorweisen musste. Daraufhin reisten fünf chinesische Immigranten nach Kent, wo sie zwei der Leichen identifizierten konnten. Doch die Polizei versuchte, ihnen weitere Informationen zu entlocken, etwa ihre Telefonnummern und ihren Flüchtlingsstatus. Danach wollte niemand aus der chinesischen Gemeinde in Britannien mit den Behörden kooperieren.

Lediglich aus Fujian, der chinesischen Provinz, aus der die meisten der Toten stammten, wurde eine Namensliste geschickt, doch die Polizei glaubt, dass die Liste falsch ist. Menschenhändler, die bis zu 20.000 Pfund an jeder geschmuggelten Person verdienen, sollen die Dokumente gefälscht haben, damit endlich Gras über die Sache wächst. Im Oktober reisen Polizeibeamte aus Kent nach Fujian, um genetische Proben von den angeblichen Verwandten zu nehmen. RALF SOTSCHECK