piwik no script img

Lkws rollen – trotz erfüllter Quote

Brenner-Regelung für Höchstgrenzen des Lastverkehrs über Alpenpass von EU-Ministern nach einem Rechentrick einfach aufgehoben. Österreichs Regierung erwägt Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Ökopunkte dämmten Verkehr nicht ein

aus Brüssel DANIELA WEINGRÄTNER

Kaum sind die Sanktionen aufgehoben, gibt es neuen Ärger zwischen der EU und Österreich. In Wien wird heute das Kabinett darüber beraten, ob die Alpenrepublik vor den Europäischen Gerichtshof ziehen soll. Nach Ansicht von FPÖ-Verkehrsminister Michael Schmid hat die Gemeinschaft den Transit-Vertrag gebrochen, der 1995 mit Österreichs Beitritt zur EU in Kraft trat und den Nord-Süd-Güterverkehr durch Österreich auf dem Niveau von 1991 einfrieren sollte.

Da die im Vertrag vorgesehene Obergrenze von 1,5 Millionen Fahrten in diesem Jahr bereits erreicht ist, hätte zum 1. Oktober eigentlich himmlischer Frieden in die Alpentäler einziehen müssen. Beobachter warteten gespannt darauf, welchen Trick sich die EU-Kommission würde einfallen lassen, um den aus ihrer Sicht schlimmsten anzunehmenden Ernstfall abzuwenden: die Behinderung des freien Warenverkehrs. Und die Experten fanden einen Ausweg: Österreich habe in seiner Verkehrsstatistik nicht nur die offiziellen Durchfahrten registriert, sondern auch die verdeckten Transite. Das sind Lieferungen, die offiziell für Österreich bestimmt sind, tatsächlich aber das Land wieder verlassen – Schwarzfahrten eben. Schwarzfahrten, so argumentiert die Kommission, seien nicht offiziell und dürften daher auch in die offizielle Transit-Statistik nicht einfließen.

Diesen Rechentrick machten sich Freitagnacht bei ihrem Treffen die Verkehrsminister zu Eigen, überdeckt von der öffentlichen Aufregung über die Mineralölpreise – gegen den Widerstand des österreichischen Ressortkollegen. Der Rechtspopulist Schmid kann auf breiten Beistand aus der Heimat zählen. Die im „Transitforum Austria-Tirol“ verbündeten Umweltschützer und Politiker aller Parteien laufen schon lange Sturm gegen die steigende Lärm- und Dreckbelastung der engen Alpentäler.

Mit einem ausgeklügelten System von Ökopunkten sollten die Transitfahrten eigentlich stufenweise reduziert, der Umstieg auf die Schiene begünstigt werden. Tatsächlich aber führte der Vertrag dazu, dass die Speditionen auf schadstoffärmere Laster umrüsteten, für die weniger Ökopunkte berechnet werden. Die Folge: Die Gütertransporte durch Österreich namen trotzdem zu. Für diesen Fall sieht der Vertrag eine Notbremse vor – mehr Fahrten als 1991 dürfen es nicht sein. Für das kommende Jahr sollen dann weniger Ökopunkte ausgegeben werden.

Ministerrat und Kommission verweisen nun darauf, dass das eigentliche Ziel, die Schadstoffe im Alpenraum zu reduzieren, doch inzwischen erreicht worden sei. Messungen vor Ort allerdings stützen diese Behauptung nicht. Denn die Ökopunkte werden auf der Grundlage von Standard-Messungen vergeben, nicht danach, was am Berg bei Stop-and-go-Verkehr hinten rauskommt. Nach Berechnungen der Internationalen Alpenschutzkommission Cipra belastet ein Lkw im Alpenraum die Umwelt dreimal so stark wie in der Ebene. Nachts ist der Schadstoffausstoß sechsmal so hoch wie am Tag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen