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Gewehre her!

Die Entwaffnung der Milizen auf Westtimor soll jetzt mit internationalem Druck energischer durchgesetzt werden

BANGKOK taz ■ Mit einem Eklat endete die „freiwillige Entwaffnung“ proindonesischer Banden in einer Polizeistation von Westtimor: Kaum hatte Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri am Montag den Schauplatz der Übergabe in der Grenzstadt Atambua verlassen, schlug die Stimmung plötzlich um. Wütende Milizionäre schnappten sich ihre Gewehre wieder, die sie gerade erst feierlich abgegeben hatten. Dann bedrohten sie zwei UNO-Beamte, die als Beobachter geladen waren.

Die beiden flohen in einen Raum des Gebäudes, wo ein schwer bewaffneter Polizisten zu ihrem Schutz abgestellt wurde. Draußen randalierten die Milizen unterdes ungehindert weiter. Soldaten und Polizisten schauten zu.

Der Vorfall zeigt, wie gefährlich die Situation in Westtimor bleibt und wie ohnmächtig die Regierung von Präsident Abdurrahman Wahid ist. Immer wieder hatte die Regierung, wenn auch widerwillig, zugesagt, die einst vom Militär ausgerüsteten und trainierten Milizen aufzulösen. Nichts geschah. Doch nachdem Milizen vor drei Wochen drei Mitarbeiter des Flüchtlingshilfswerks UNHCR erschlugen, wuchs der internationale Druck auf die Regierung, dem Treiben ein Ende zu setzen. Der Weltsicherheitsrat forderte, die Milizen zu entwaffnen und die Täter zu bestrafen. Politiker in den USA drohten mit Wirtschaftssanktionen.

Auf diesen Druck reagierten Politiker und Militär in Jakarta stets voller Trotz und Abwehr: Obwohl Gewehre schwingende Milizen noch täglich auf den Straßen Westtimors zu sehen sind, behaupteten Regierungsmitglieder, die Banden seien „längst entwaffnet“ worden.

Ein Minister erklärte kürzlich, die Osttimoresen seien von der Unabhängigkeit enttäuscht und verlangten die Rückkehr nach Indonesien. Bis heute sind Politiker wie Vizepräsidentin Megawati überzeugt, dass der Verlust Osttimors 1999 nur durch eine Verschwörung des Auslands zustande kam. Gestern setzte Sicherheitsminister Susilo Bambang Yudhoyono den Milizen eine neue Frist: Bis Mittwoch sollen sie ihre Waffen freiwillig abgeben, danach „müssen sie mit gesetzlichen Strafen rechnen“.

Der Chef der UNO-Übergangsverwaltung in Osttimor, Sergio Vieira de Mello, ist skeptisch. Er glaube nicht, dass es ohne Zwang geht, sagte er. Wenn überhaupt, „werden sie nur ihre alten, maroden Waffen abgeben und die modernen behalten“.

Wer hält seine schützende Hand über die Milizen? Alle Hoffnungen, die Verantwortlichen würden bestraft, zerschlugen sich bislang. Ein Beispiel ist der berüchtigte Eurico Guterres, dessen „Dorn“-Miliz letztes Jahr besonders grausam in Osttimor wütete. Guterres’ Name fehlt – ebenso wie der des damaligen Armeechefs Wiranto – auf der Liste der 19 wichtigsten Verdächtigen, denen wegen der Verbrechen in Osttimor ein Prozess gemacht werden soll.

Guterres, der an seinen hüftlangen Haaren zu erkennen ist, brauchte am Montag seine Waffen nicht abzugeben, obwohl er bei der Zeremonie in Atambua zugegen war. Fernsehkameras zeigten ihn als Anführer der Randale in der Polizeistation.

Der Grund seiner Wut: Vizepräsidentin Megawati, Sicherheitsminister Yudhoyono und die Polizeichefs weigerten sich, unter den Augen der internationalen Medien mit ihm zu sprechen. Das wollte der Milizenführer nicht akzeptieren. Schließlich ist er inzwischen Funktionär in Megawatis Partei geworden und sorgt für die Sicherheit bei deren Veranstaltungen.

JUTTA LIETSCH

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