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Blinder Steuermann

Griechische Fähre „Express Samina“ prallte gegen Riff und sank. Experten warnten schon lange vor Schlamperei auf Mittelmeerfähren

BERLIN taz ■ Statt voller Vorfreude auf eine Reihe sonniger Morgen an Bord der Mittelmeerfähren zu gehen, werden TouristInnen diese demnächst eher ausgestattet mit einer Schwimmweste betreten. Der katastrophale Untergang der griechischen Fähre „Express Samina“ am Dienstagabend verschafft endlich einer Reihe von Experten Gehör, die schon seit längerer Zeit vor der mangelnden Sicherheit dieser Transportmittel gewarnt haben.

Das Schiff prallte auf dem Weg von Piräus nach Naxos und Samos vor dem Hafen der Kykladeninsel Paros gegen einen wohl bekannten und mit einem 11 Kilometer weit sichtbaren Leuchtfeuer gekennzeichneten Felsen. „Man muss blind sein, um dieses Riff nicht zu sehen“, sagte der Chef der griechischen Küstenwache, Andreas Sirigos.

Bei rauer See sank die Fähre nach den Aussagen von Augenzeugen innerhalb von Minuten.

An der Rettungsaktion beteiligten sich Schiffe der griechischen und britischen Marine, die in der Nähe ein Manöver abhielten, Hubschrauber und Fischerboote. Zu den Geretteten gehören auch die Mitglieder einer Ärztegruppe aus Hamburg.

Wie der Chef der griechischen Küstenwache vermutete auch der Präsident der betroffenen Reederei menschliches Versagen. „Wer auch immer am Ruder war, muss blind gewesen sein“, sagte Andreas Klironomos, Chef von „Hellas Ferries-Minoan Flying Dolphins“ bei einer Pressekonferenz. „Unsere Fähre war kurz vor Auslaufen vom Hafen von Piräus kontrolliert worden.“

Die Reederei, die in den vergangenen Jahren stark expandierte, ist allerdings schon öfter wegen des Zustands ihrer Schiffe kritisiert worden. Der griechische Minister für Handelsschifffahrt, Christos Papoutsis, versprach, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen: „Egal wie hoch sie stehen.“ Die 1966 gebaute „Express Samina“ war eine der ältesten Fähren des Landes und sollte Ende 2000 aus dem Verkehr gezogen werden. Das Unglück löste eine neue, heftige Debatte über den Zustand griechischer Schiffe aus: Überlebende warfen den Reedern vor, mit veralteten Flotten „Milliarden zu Lasten der Sicherheit der Passagiere“ zu verdienen.

Schon vor zwei Jahren hatte die Stiftung Warentest vor den Mittelmeerfähren gewarnt. Prüfer des ADAC erteilten im Frühjahr 15 von 26 europäischen Fähren nur die Noten „ausreichend“ oder „mangelhaft“. Als Touristen getarnt, hatten sie vor allem auf Mittelmeerrouten Mängel entdeckt, bei Fähren nach Korsika, Elba, Sardinien und in der Ägäis. Sie bemängelten unter anderem schlechte Wartung, ungenügendes Unfalltraining der Besatzungen, verstopfte Fluchtwege und fehlende Rettungsringe.

BARBARA KERNECK

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