taz-olympiakrimi: im schatten der ringe: Kapitel 13: In dem auch der Mörder tot ist
Killing Fields
Was bisher geschah: Während Wayne Bruce, Chefermittler im Fall des ermordeten botswanischen IOC-Mitgliedes Thomas Kiwabaki und seines ebenfalls gemeuchelten Bruders Samuel, das Basketballteam der USA einer gründlichen Investigation unterzieht, gelingt seinen Kollegen endlich der ersehnte Fund.
„Wir haben ihn“, brüllte Kommissar Persini euphorisch ins Telefon und fügte bedauernd hinzu: „Leider ist er tot.“ Der mutmaßliche Mörder hatte mit friedvollem Gesichtsausdruck im Gehege des weißen Tigers im Taronga Zoo gelegen, genauso friedvoll hatte die Raubkatze ein paar Meter von ihm entfernt geschlummert, als die Wärter den Körper entdeckten. Entweder das Kätzchen war gut gefüttert worden oder es mochte einfach keine Killer.
Der Tote wurde als ein gewisser Malcolm Mulroney identifiziert, und seine Fingerabdrücke stimmten exakt mit jenen überein, die in der verlassenen Wohnung in Newtown gefunden worden waren, wo jener Mann gewohnt hatte, der sich Samuel Kiwabaki gegenüber als Polizist ausgegeben und ihn mit einer Überdosis Epo wohl auch getötet hatte. Mulroneys Vorstrafenregister war so lang wie Ian Thorpes Füße und sein Blut so dick wie die Muskeln von Inge de Bruijn. Auch ihm hatte eine Epo-Injektion den Rest gegeben. Offenbar hatte sich Mulroney im idyllisch am nördlichen Ufer des Sydney Harbour gelegenen Zoos mit jemandem getroffen, dem er zumindest halbwegs vertraut hatte. Ein lethaler Fehler. Leider waren seine Taschen vollständig geleert, und es gab keinen Hinweis auf seinen letzten Aufenthaltsort.
Das änderte sich jedoch, nachdem sein Foto im Fernsehen gelaufen war. Kurze Zeit später meldete sich der Besitzer eines Backpackerhotels in King’s Cross, wo Mulroney ein Zimmer gemietet hatte. Bei der Durchsuchung wurde vor allem ein hoch interessanter Gegenstand gefunden: der notorische Schließfachschlüssel. Persini erklärte sich spontan bereit, die einschlägigen Schließfächer am Hauptbahnhof und anderen markanten Orten abzuklappern, was Bruce ein wenig wunderte. Der Kommissar war eigentlich ein eingefleischter Bürohocker, der das Revier freiwillig nur bei Feierabend verließ. Offenbar war Olympia nicht mal bei ihm ohne Einfluss geblieben und hatte ungewohnten Tatendrang verursacht.
Bruce war es recht, so konnte er sein Taekwondo-Ticket absitzen, das in dem von ihm erworbenen Kartenpaket zwangsweise enthalten gewesen war. Eine gute Gelegenheit zu beweisen, dass er für alle möglichen exotischen Sportarten aufgeschlossen war, seien sie noch so unsinnig und verrückt, wie es sich der Hauptkommissar gern öffentlich zugute hielt. Zu seiner Überraschung gewann eine Australierin, zu allem Überfluss auch noch die Tochter von Ronnie Burns, einem Popstar, der in den Sechzigern sein Idol gewesen war. Was richteten die Olympischen Spiele bloß an mit diesem Land. Wenn Australien jetzt schon Gold im Taekwondo gewann, fliegen wir bestimmt bald zum Mond und bauen Atombomben. Sein Weltbild wurde wieder zurecht gerückt, als er vor der Halle einen Betrunkenen sah, der sich mit den Ordnern stritt und es schaffte, in zwei Minuten ungefähr 700-mal das Wort „Fuck“ zu artikulieren. Manches war also doch beim Alten geblieben.
Als er ins Revier zurückkehrte, wartete dort ein strahlender Persini mit einem kleinen Köfferchen vor sich auf dem Schreibtisch. „Der Kiwabaki-Koffer?“, fragte Bruce hoffnungsvoll. „Exakt“, erklärte der Kommissar, „und rate, was drin ist.“ – „Eine Urinprobe von Kevan Gosper?“, wagte er einen Versuch. „Fast“, sagte Persini und klappte das Köfferchen auf. Es enthielt tatsächlich etwas von Gosper: fünf Fotos, die den IOC-Vizepräsidenten mit Thomas Kiwabaki und einem anderen Herrn, der Bruce vage bekannt vorkam, vor einem Hubschrauber stehend zeigten. Im Hintergrund sah man verschneite Gebirgsketten. „Wissen Sie, wer das ist?“, grinste Persini und zeigte auf den dritten Mann, „Thomas Welch, der frühere Olympia-Bewerbungschef von Salt Lake City.“ – „Dann ist das also Utah?“ – „Möglicherweise“, schmunzelte der Kommissar, froh, sein Olympiagegnerwissen anbringen zu können, „da, wo Gosper nach eigenem Bekunden nie war.“ – „Starker Tobak“, sagte Bruce und griff zum Telefon. MATTI LIESKE
Fortsetzung folgt
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