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Eine Protestbotschaft nach Prag

Globalisierungsgegner demonstrierten gestern vor der tschechischen Botschaft gegen Übergriffe der Prager Polizei. Der tschechische Botschafter versprach, die Beschwerden weiterzuleiten. Deutsche wurden derweil in Prag aus der Haft entlassen

von OLIVER VOSS

Buntes Treiben herrschte gestern vor der tschechischen Botschaft am U-Bahnhof Mohrenstraße. Etwa 100 Personen forderten die Freilassung der in Prag inhaftierten Demonstranten. Viele waren selbst bei den Protesten in Prag gegen die Tagung der Weltbank gewesen.

Ein Sprecher der Demonstration erhob schwere Vorwürfe gegen die Prager Polizei. Festgenommene würden „krass behandelt“, im Knast würden „unmenschliche Zustände“ herrschen. Der Sprecher berichtete von gebrochenen Fingern, Tränengas innerhalb der Zellen, Stichen in Augen und Ohren und sexuellen Übergriffen durch Polizisten in der tschechischen Hauptstadt. Auf einem Transparent protestierten sie „Gegen Vergewaltigung und Folter“. Über ein ins Gefängnis geschmuggeltes Handy habe man erfahren, dass eine Österreicherin vergewaltigt worden sein soll.

Zwölf Protestierenden gelang es zu Beginn der Kundgebung, die Botschaft zu betreten. Dabei kam es kurzzeitig zu Rangeleien mit Mitarbeitern der Botschaft. Eine Glastür ging zu Bruch. Der weitere Verlauf gestaltete sich dann harmonischer.

Der tschechische Botschafter Frantisek Cerny empfing die Protestler zu einem „offenen Gespräch“. Dabei hätten beide Seiten ihre Positionen „vehement, aber nicht aggressiv“ vertreten, so Cerny. Der Diplomat äußerte ein „angemessenes Maß an Verständnis“ für die „gerechte Begeisterung der jungen Leute“. Er fühle sich an seine eigene Jugend erinnert. „Eine Labertasche“, urteilte eine der Beteiligten.

Immerhin kam Cerny am Ende selbst vor das Botschaftsgebäude. Der Diplomat fasste die von den Demonstranten geäußerten Vorwürfe zusammen, wollte jedoch „handfeste Beweise“. Ansonsten verwies er auf fehlende Kompetenz, sicherte jedoch zu, „den Protest auf schnellstem Wege an die zuständigen Organe weiterzuleiten“. Weiter erklärte der Botschafter, dass er bereits Telefonate mit dem deutschen Konsul in Prag geführt habe, der sich zur Stunde ein Bild von der Situation im Gefängnis mache.

Die Demonstranten waren über den Teilerfolg nicht unzufrieden. „Wenigstens war er da“, erklärte eine Demonstrantin. Wenn das Gespräch vor der Kulisse des Protesttransparents im Fernsehen laufe, wäre das ein „Strike“, so die Demonstrantin. Ein tschechisches TV-Team hatte die Kundgebung gefilmt.

Auch ein wirklicher Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Am Nachmittag kamen auf Betreiben des Auswärtigen Amts alle 31 in Prag inhaftierten Deutschen frei. Die Berliner Demonstranten sorgen sich nun noch um tschechische Gefangene. Die würden nach Angaben von Augenzeugen „gesondert behandelt“.

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