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„Liebe taz...“ Schwarze Woche für die Polizei

Betr.: „Leserbrief zu Gerold Janssen und Tim Koehne“

Die Bürgerinitiative für die Erhaltung des Hollerlandes fragt sich, was eigentlich schockierender ist: Die schlimmen Misshandlungen, denen Tim Koehne auf der Polizeiwache erwiesenermaßen ausgesetzt war oder die Verlautbarungen des politisch für diese Übergriffe verantwortlichen Senators Schulte (CDU), dem nicht mehr einfällt als die Aussage, dass „auf die rechtsstaatlichen Verfahren Verlass ist“. Für ihn, die Bremer Polizisten und die politische Kultur im Polizeiapparat wäre es ganz sicher besser gewesen, wenn durch ehrliche Aufklärung die verantwortlichen Rambos identifiziert und einer gerechten Strafe zugeführt worden wären. So aber ist uns allen ein weiteres Beispiel für die völlig unerträgliche Kameraderie geliefert worden, die in einer demokratischen Polizei nun wirklich nichts mehr zu suchen hat – und das auch noch im Doppelpack: Leise und fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat genau eine Woche zuvor ein Prozess gegen Polizeibeamte stattgefunden, die im Dezember 1997 den allen Bremern als hartnäckig, aber stets gewaltfrei bekannten Umweltschützer Gerold Janssen in einem völlig überzogenen Einsatz verhaftet hatten. Beim Malen an der Betonwand in Horn-Lehe war der damals 74-Jährige gestellt, heftig zu Boden geworfen, verbal beleidigt und in Handfesseln in die Zelle verfrachtet worden. Auch ihm attestierte der Arzt erhebliche Blessuren.

Aber der Verlauf der Verhandlungen lässt nichts Gutes ahnen. Am 6. Oktober soll das Urteil gesprochen werden– und dann wird sich zeigen, ob auch hier der Korpsgeist ein weiteres Mal stärkere Wirkung entfalten konnte als öffentliches Interesse an ehrlicher Aufklärung.

Was bleibt? Eine schwarze Woche für das Ansehen gerade der unbeteiligten Personen und zwei verpasste Chancen für Anstöße zu längst überfälligen Reformen in der Polizeiausbildung. Kein Wunder bei dieser politischen Führung.

Dieter Mazur

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