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Wenn Träumer zu Deppen werden

Das Dream Team III muss doch richtig Basketball spielen, um zu gewinnen. Ihre Nachfolger werden nur noch verlieren können

SYDNEY taz ■ Die längste Leitung hatte mal wieder die Zeitung USA Today. Die schrieb noch in der ersten Woche des olympischen Basketballturniers, man sollte endlich Schluss machen mit dieser lächerlichen Gewohnheit, haushoch überlegene Basketballteams mit renommierten NBA-Profis aus den USA nach Olympia zu entsenden, die dort den Rest der Welt in langweiligen Partien kurz und klein hacken würden. „Schickt wieder die Collegeboys“, forderte das Blatt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Mannschaft, die bald niemand mehr Dream Team nennen würde, schon einige Halbzeiten lang gewaltige Mühe mit den vermeintlich inferioren Kontrahenten gehabt, und das nicht nur, als die Neuseeländer ihren Kriegstanz Haka vorführten.

Gestern gewannen die USA durch ein 85:75 im Finale gegen Frankreich erneut Olympiagold, woran vor dem Turnier niemand gezweifelt hatte, doch um dieses Ziel zu erreichen, mussten sie richtig Basketball spielen. „Es reicht nicht, nur in den Highlightfilmen zu glänzen, man muss auch in die Gräben tauchen, wenn man hier bestehen will“, sagte Coach Rudy Tomjanovich, und genau das hätten seine Stars am Ende getan. Wenn noch ein Weckruf nötig gewesen war, dann erhielten sie ihn im Halbfinale, wo sie mit nur zwei Punkten Unterschied gewannen und in der letzten Sekunde beten mussten, dass der Dreipunktversuch eines Litauers nicht mit der Schlusssirene im Korb landete.

Nach dem Schreck kamen die Ausflüchte. Nicht von den Spielern, die sich freuten, doch noch gewonnen zu haben und wie Antonio McDyess meinten, es sei wurscht, ob der Unterschied zwei oder 30 Punkte betrage, die seit 1992 gültige Pflichtmarge für Dream Teams. Es waren die US-Medien, die flugs argumentierten, mit Shaquille O’Neal, Kobe Bryant und Tim Duncan wäre alles ganz anders gelaufen. David Stern, Commissioner der NBA, lässt das nicht gelten. „Das hier ist ein Eliteteam, zusammengestellt aus der Liga mit den besten 300 Spielern der Welt.“ Leute wie Vince Carter, Kevin Garnett, Alonzo Mourning, Vin Baker, Gary Payton seien ja keine Nobodys. Als er das Litauen-Match sah, habe er gedacht, „großartig, aber lass uns bitte nicht verlieren.“ Aus der Zusammenarbeit mit dem Weltverband Fiba weiß Stern, was den Leuten in der Heimat komplett entgangen ist: „Das Niveau des Basketballs außerhalb der USA hat sich dramatisch verbessert, viel mehr, als es bei uns wahrgenommen wird.“ Auch das originale Dream Team mit Michael Jordan und Magic Johnson würde seine Matches heute nicht mehr so dominieren wie 1992, und die viel zitierten Collegeboys würden sogar von Neuseeland weggepustet, auch ohne Haka.

Ray Allen, der sich in Sydney mit seinem ruhigen, kompletten Spiel ohne Effekthascherei als einer der wertvollsten Spieler im Star-gespickten US-Team erwies, verglich die Partien gegen die Litauer und die Franzosen, die gestern in der zweiten Halbzeit ebenfalls noch einmal auf vier Punkte herankamen, mit dem Play-off-Duell seiner Milwaukee Bucks gegen die hoch favorisierten Indiana Pacers, denen sie überraschend zwei Spiele abnahmen. „Egal, wie die Namen lauten, auf dem Platz spielen fünf gegen fünf, und wenn jemand als Team auftritt, kann er immer gewinnen.“ Dass die besten zwölf Spieler des Turniers alle das US-Trikot trugen, daran zweifelte niemand, deshalb, so Allen, habe er hier eines gelernt: „Basketball ist ein Mannschaftssport.“

Eine Idee, die auch David Stern gut gefällt. Das lästige Gerede, die NBA-Profis künftig zu Hause zu lassen, dürfte nunmehr endgültig vorbei sein, dafür wird die Ausgangsposition künftiger US-Teams immer prekärer. „Sie tragen eine enorme Bürde“, sagt der Commissioner, „es wird immer mehr zu einer Situation, in der sie nichts gewinnen können.“ Siegen sie, ist es normal, verlieren sie, sind sie für alle Zeiten die Deppen mit der ersten Dream-Team-Niederlage. Crawford Palmer aus der französischen Mannschaft glaubt allerdings, dass es nun erst mal für alle anderen schwieriger wird. „Die USA wissen jetzt, dass sie sich top vorbereiten müssen, und wenn sie das tun, gibt es vielleicht wieder die 40-Punkte-Vorsprünge. Dann müssen wir erneut aufholen.“ MATTI LIESKE

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