: Neuwahl. Oder neue Qual
GAL-Spitze entscheidet morgen über Neuwahlen für Landesvorstand. Streit um Antje Radcke als Parteisprecherin schwelt weiter ■ Von Sven-Michael Veit
Ob der Schlag durch den gordischen Knoten gelingt, ist noch fraglich. Morgen Abend entscheidet der Landesvorstand der Hamburger Grünen, ob die Parteiführung neu gewählt werden soll. Im Mittelpunkt des quälenden Streits, der seit einer Woche mit allseits abnehmender Bodenhaftung geführt wird, steht die linke Parteisprecherin Antje Radcke.
Ob sie rechtmäßig ins Amt kam oder nicht ist die Frage, über die sich gallige Köpfe nachhaltig an dieselben geraten. Von Hartbeinigkeit der jeweiligen KontrahentInnen ist zu hören, Rücktritte aus dem Vorstand wurden gefordert, angedroht und dann doch nicht vollzogen, von „Kriegserklärungen“ gar ist die Rede: Tumulte zwischen Linken und Realos, die mehr als einen der Streithähne von „Spaltern“ – bei den anderen, selbstredend – raunen ließen.
Am vorigen Dienstagabend hatte das dreiköpfige Parteischiedsgericht in einer vertraulichen Sitzung mit dem Landesvorstand und Vertretern der Grünen Jugend seine „vorläufige Rechtsauffassung“ dargelegt. Danach sei am 9. September auf der Landesmitgliederversammlung (LMV) der erste Wahlgang zu Unrecht für ungültig erklärt worden. Mithin sei nicht die Parteilinke Radcke gewählt worden, sondern ihre vom grünen Nachwuchs und den meisten Realos unterstützte Gegenkandidatin Heike Opitz.
Versammlungsleiter Rainer Scheppelmann, hauptberuflich zur Zeit Vize-Senatssprecher, hatte die Wahl annulliert, weil die Zahl der abgegebenen Stimmen die der verteilten Wahlzettel überschritten haben soll. Beim zweiten Versuch setzte sich Radcke mit zwei Stimmen Vorsprung gegen Opitz durch, die zuvor drei Kreuze mehr für sich verbuchen konnte. Wegen vermuteter Formfehler und Satzungsverstöße haben 23 GalierInnen, hauptsächlich aus der Grünen Jugend, ein Anfechtungsverfahren beim Landesschiedsgericht beantragt (taz berichtete).
Im siebenköpfigen Parteivorstand, dem außer Radcke und ihrem gleichberechtigten Realo-Sprecherkollegen Kurt Edler drei Realos und zwei Linke als BeisitzerInnen angehören, wird nun eine Neuwahl des Gesamtvorstandes durchaus favorisiert. Das wäre, meinen Vernünftige in dem galligen Hühnerhaufen, „die politisch sauberere Lösung“. Eine Wahl-LMV könnte aber frühestens für Ende November einberufen werden.
Allerdings zeigt die Grüne Jugend, trotz nachhaltiger Ermahnungen führender Realos, bislang keine Bereitschaft, ihre Wahlanfechtungsklage zurückzuziehen. Dies fordern nicht nur Linke, auch Satzungsexperten wiegen bedenklich die Köpfe: Neuwahlen auszuschreiben trotz laufenden Schiedsgerichtsverfahrens birgt die Gefahr weiteren Streits über Formalia.
Das sieht auch Opitz, die sich aber beide Optionen offenhält und als einzige Beteiligte eine Lizenz zum Zitieren erteilt. Würde sie vom Schiedsgericht zur Parteisprecherin bestimmt, würde sie „das machen“. Und bei Neuwahlen „trete ich wieder gegen Antje an.“
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