: Manipuliert oder echt?
■ Verwirrende Ansichten im Kunsthaus: Die Ausstellung „Reflected Images“ macht das Bild in der Fotografie zum Thema und befördert Einiges an die Oberfläche
Das stimmt doch nicht: Was irritiert bloß so an den scheinbar harmlosen Familienfotos, die Eske Schlüters liebevoll in bunten Rahmen an die Wand montiert hat? Die leicht vergilbten Aufnahmen aus den 70er Jahren wirken merkwürdig asymmetrisch und leer, und die abwegigen Bildausschnitte widersprechen allen üblichen Sehgewohnheiten. Das Geheimnis lüftet sich bei genauerer Betrachtung: Ein Säugling kann sich nunmal nicht allein in einer Badewanne halten, ohne zu ertrinken. Mit Hilfe des Computers hat die Künstlerin einzelne Personen einfach wegretuschiert. Als schmerzhafte Leerstelle bleiben sie den Fotos dennoch erhalten und sprechen vom Verlust und vom Vergessen.
Schlüters ist eine von 13 Hamburger FotokünstlerInnen, die in der Ausstellung Reflected Images Positionen zum „Bild in der Fotografie“ entwickeln. Die Palette reicht von Alltagsbildern über kunsthistorische Reflexionen bis hin zu experimenteller Bildästhetik. Das Ausstellungskonzept ermöglicht so ein Nachdenken über Wahrnehmungsmuster und die Rolle, die Bilder dabei spielen.
Das Thema Familie interessiert auch Pitt Sauerwein, die in ihren durchkomponierten „Schnappschüssen“ die Idylle eines Familienausflugs als brüchig entlarvt. Dass es die Künstlerin ist, die die Regieanweisungen gibt, demonstriert sie durch den Selbstauslöser in ihrer Hand. Das Geschehen der Bilderreihe bleibt merkwürdig unbestimmt, und dennoch gibt nicht nur das bedrohliche U-Boot im Hintergrund Anlass zu einigem Unbehagen.
Mit einer scheinbaren Idylle setzt sich auch Tim Kubach auseinander. Aus Reiseprospekten hat er Bildausschnitte ausgewählt, ein Paar am Buffet etwa oder eine Frau bei der Kosmetikerin. Um ein Vielfaches vergrößert und grob gepixelt, führen die computerbearbeiteten Bilder die Absurdität der gestellten Urlaubsszenen vor Augen.
Spannend sind die Positionen, die sich der Kunstgeschichte widmen: Michael Keesmeyer übersetzt das kleine Früchtestillleben des spanischen Malers Sánchez Cotán in überdimensionale Fotografien. Bianca Hobusch schließlich macht die Kunstrezeption selbst zu ihrem Thema und ermöglicht mittels ungewöhnlicher Perspektiven neue Einblicke auf bewährte Motive: Die Venus von Boticelli, aus einem Kunstkatalog herausfotografiert, erscheint so in einem völlig neuem Licht.
Kerstin Wiese
bis 29.10., Di - So 11 - 18 Uhr, Do 11 - 21 Uhr, Kunsthaus, Klosterwall 15
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