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Standortsuche nicht opportun

Bericht über die Entwicklung der Drogenszene in St. Georg unter Verschluss. Eröffnung eines weiteren Druckraumes wird verzögert  ■ Von Elke Spanner

Zeitdruck bestehe, mahnte Wolfgang Gessenharter vor einem Jahr. Untragbar sei die Überfüllung der Fixerstube „Drob Inn“ für die KlientInnen, die MitarbeiterInnen und die Menschen, die rund um den Hauptbahnhof leben. Der von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) beauftragte Mediator hatte drei Stufen zur Entlastung des Stadtteils St.Georg vorgeschlagen. Die erste ist abgeschlossen. Sie wurde wissenschaftlich begleitet, ein Bericht mit den Zwischenergebnissen liegt dem Senat vor – und wird allem Zeitdruck zum Trotz seit dem 1. August sorgfältig und unbearbeitet in Behördenschubladen verwahrt.

Der Senat, so die Erklärung von BAGS-Sprecher Ingo Schädlich, habe noch nicht abschließend über den „Zwischenbericht über die kommunikative Begleitung der Umsetzung des Stufenmodells zur Frage weiterer Gesundheitsraumkapazitäten im Umfeld des Hamburger Hauptbahnhofes“ beraten. Wann der veröffentlicht wird, sei deshalb nicht abzusehen.

Das Drei-Stufen-Modell von Gessenharter hatte vorgesehen, zunächst die Öffnungszeiten des „Drob Inn“ in die Abendstunden zu verlängern. In der zweiten Stufe sollten die Konsumplätze im Gesundheitsraum vedoppelt werden, damit mehr Junkies parallel ihren Stoff konsumieren können. Sollte sich dadurch die tägliche Menschentraube vor der Einrichtung nicht auflösen, so Gessenharter, müsste die Stadt einen weiteren Druckraum in St. Georg eröffnen.

Diese dritte Stufe scheut der Senat. Denn die rot-grüne Regierung setzt auf Dezentralisierung und will mit den Druckräumen auch die Drogenszene über die gesamte Stadt verteilen. Doch obwohl es auch in Ottensen und Eimsbüttel Druckräume gibt, ist der starke Zulauf zum „Drob Inn“ und zum „Fixstern“ im Schanzenviertel ungebrochen. „Dass bei uns jeden Abend 30 bis 40 Menschen vor der Tür stehen, ist nicht allein ein Kapazitätsproblem“, erklärt Peter Möller, Leiter des „Drob Inn“. Die Junkies würden sich dort sammeln, weil in St. Georg der Schwarzmarkt für ihre Drogen ist. „Es ist Polizeistrategie, dass die Leute sich bei uns treffen, damit sie nicht am Hauptbahnhof sichtbar sind“, so Möller, „und wir haben das auszubaden, indem zum Beispiel Prügeleien vor unserer Tür stattfinden.“ Auch die Verdoppelung der Plätze in der Fixerstube könnte das Problem nicht lösen, allein ein weiterer Standort in St. Georg könnte das „Drob Inn“ entlasten.

Auch Gessenharter hatte als wahrscheinlich prognostiziert, dass ein weiterer Druckraum die einzige Lösung sein könnte. Er hatte deshalb angeraten, schon parallel zur Umsetzung der ersten beiden Stufen die Suche nach einem weiteren Standort aufzunehmen. Bisher hat der Senat das nicht getan. Lutz Jobs von der Regenbogen-Gruppe mutmaßt, dass auch der Zwischenbericht die Notwendigkeit einer weiteren Fixerstube betonen könnte und der Senat deshalb keine Eile hat, ihn der Öffentlichkeit vorzustellen. „Der Senat will die Entscheidung über weitere Druckräume über die gesamte Legislaturperiode ziehen“, so Jobs. Nächstes Jahr sind Bürgerschaftswahlen, und „im Wahlkampf wird niemand Standorte für eine Fixerstube suchen, das ist nicht opportun“.

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