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Lernstatt Demokratie: „Bin ich wichtig?“

■ „Förderprogramm Demokratisches Handeln“ langweilte zwölf Jugendliche in der Bürgerschaft mit einem Vortrag darüber, wie verstaubt „Demokratisches Handeln“ ist

„Lernstatt Demokratie Regional“ heißt der kleine Kongress, der derzeit in Bremen stattfindet, und gestern trafen sich ca. 30 Pädagogen mit einem knappen Dutzend Schülern vom bundesweiten Wettbewerb „Förderprogramm Demokratisches Handeln“. Fünf SchülerInnen waren aus Hamburg gekommen, drei aus Bremerhaven, zwei aus Bremen – der große, steril gegen jeden Lärm der Straße und jedes frische Lüftchen abgeschirmte Sitzungssaal der Bürgerschaft provozierend leer. Der Geschäftsführer von „Demokratisch Handeln“, Dr. Wolfgang Beutler aus Jena, dankte dem Bremer Schulrat Joachim Schweitzer, der den Kontakt mit der Kultusministerkonferenz hergestellt hatte. Denn die „Lernwerkstatt Demokratie Regional“ findet parallel zur Kultusministerkonferenz statt und der Vorstand des Förderprogramms will bei den hier tagenden Bildungsministern um Unterstützung werben und so weiter. Die Schüler, um die es ging, blickten schon bald ins Leere.

Der angekündigte Referent Arthur Fischer, einer der Mitautoren der Shell-Jugend-Studie, redete zwar auch nicht zu den Schülern, dafür aber kompetent über sie. Dass Jugendliche Probleme mit den Institutionen und den Ritualen der Politik hätten, das könne man verstehen. Die Vertreter der betroffenen Institutionen würden nur feststellen: Die Jugendlichen tun nicht mehr das, was meine Organisation sei 200 Jahren tut, spottete Fischer. „Die IG Metall ist bald jugendfrei“, zum Beispiel, derart infrage gestellte Institutionen müssten sich fragen: „Wie weit sind wir bereit, uns unter dem Einfluss von Jugendlichen zu ändern?“

Die Rede des Jugendforschers konnte man als Kritik auf das sterile Ritual der „Lernstatt Demokratie Regional“ beziehen. So war es überhaupt nicht gemeint, passte aber. Völlig falsch sei es, bei einem ersten Engagement von Jugendlichen sofort nach dem höheren Sinn und der Orientierung an der Sache zu fragen, meinte er. Es sei völlig normal, dass Jugendliche sich zunächst am persönlichen Nutzen orientieren. „Kann ich da mit meiner Clique zusammen sein?“ ist ein solches Kriterium. Zielorientierung käme vielleicht später.

Aus den neueren Befragungen haben die Shell-Forscher den Schluss gezogen, dass „Zukunftsfähigkeit“ die entscheidende Kategorie ist. Die Weichen würden schon im Bereich der vorschulischen Erziehung gestellt. Trauen die Eltern ihren Kindern etwas zu, dann lernen auch die Kinder, sich etwas zuzutrauen, so die verkürzte pädagogische Faustregel. Glauben die Jugendlichen, dass sie mit ihrer Zukunft zurechtkommen, sind sie bereit, sich zu engagieren. Nur zehn Prozent der Hauptschüler trauen sich in dem Sinne etwas zu und haben das Gefühl: „Ich bin wichtig“ – ein „bildungspolitischer Skandal“.

Am Freitag findet die „Lernstatt Demokratie Regional“ ihren Höhepunkt mit einem Empfang des Bildungssenators Willi Lemke für die Bremer und Bremerhavener Teilnehmer des Bundeswettbewerbs „Demokratisches Handeln“. K.W.

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