: 1941
Slobodan Milošević erblickt im August 1941 in Pozarec das Licht der Welt. Nach dem Studium an der juristischen Fakultät in Belgrad wird er 1964 Mitglied der kommunistischen Partei. Nach jahrelanger Tätigkeit in der Wirtschaft übernimmt er 1983 als Direktor die Beobanka in Belgrad. Drei Jahre später ist Milošević in der Parteihierarchie ganz oben. Er wird Chef der kommunistischen Partei Serbiens.
1987
Im April läuft der blasse Apparatschik erstmals zu Hochform auf. In einer berühmt-berüchtigten Rede in Kosovos Hauptstadt Priština erklärt er vor tausenden aufgebrachten Serben: „Niemand hat das Recht, euch zu schlagen“! Dieser Satz, der Milo- šević’ Metamorphose vom Kommunisten zum glühenden Nationalisten einleitet, ist gleichzeitig eine Kriegserklärung an die rund 1,8 Millionen Kosovo-Albaner.
1989
Die zunehmenden Spannungen im Kosovo zwischen Serben und Albanern weiß Milošević für sich nutzen. Geschickt im Umgang mit Medien und Propaganda schürt er weiter das nationalistische Empfinden der kleinen serbischen Minderheit im von Albanern geführten Kosovo. Miloše- vić will nationale Macht. Im Mai 1989 schließlich wählt ihn das Parlament zum Präsidenten Serbiens.
1990
Nach einem Parteikongress in Belgrad im Januar 1990 bricht die jugoslawische kommunistische Partei auseinander. Der Kongress hatte für ein Ende des Einparteisystems gestimmt, doch Milošević weigert sich, die Reformbeschlüsse mitzutragen. Als Kroatien schließlich eigeneWahlen ausruft, warnt Milošević, dass Serbien bei einem Auseinanderbrechen Jugoslawiens seine Grenzen neu ziehen würde.
1991
Als Kroatien die Unabhängigkeit ausruft, bittet die selbst erklärte serbische autonome Republik Krajina Milošević um Unterstützung. Der reagiert gegen Kroatien mit nationalistischen Parolen. Bis Dezember 1991 erobern serbische Separatisten und jugoslawische Armee fast ein Drittel Kroatiens – 20.000 Tote und 400.000 Flüchtlinge sind der Preis. Die UNO verhängt wirtschaftliche Sanktionen gegen Serbien.
1992
Im April 1992 beschließt auch Bosnien nach einem Referendum die Unabhängigkeit. Milošević ruft dazu auf, Serbien gegen den „kroatischen Genozid“ und den „islamischen Fundamentalismus“ der muslimischen Bosnier zu verteidigen. Die folgenden drei Jahre Krieg in Bosnien sind Europas grausamsten Kämpfe seit dem Zweiten Weltkrieg. Die internationale Gemeinschaft isoliert Serbien.
1995
Im Sommer 1995 erobert Kroatien die meisten der von Serbien besetzten Gebiete zurück. Flüchtlingsströme kroatischer Serben und ein dreiwöchiges Nato-Bombardement Bosniens zwingen Milošević an den Verhandlungstisch. Mit dem Friedensabkommen von Dayton wird er vom Brandstifter zum Retter des Balkan. Die internationalen Sanktionen werden zum Teil aufgehoben.
1996
Nach massivem Betrug bei den serbischen Kommunalwahlen demonstrieren Zehntausende wochenlang auf den Straßen Belgrads. Milošević lenkt ein und erkennt den Wahlsieg der Opposition an. Doch deren Bündnis Zajedno (Gemeinsam) zerbricht kurz darauf an internen Streitigkeiten. Milošević sitzt wieder fest im Sattel. Im Juli 1997 wählt ihn das föderale Parlament zum Präsidenten Jugoslawiens.
1998
Im Frühling 1998 schläg der Konflikt im Kosovo in offene Gewalt um. Hunderttausende Albaner fliehen vor dem Plündern, Brandschatzen und Morden der serbischen Polizei und Armee. Die westliche Gemeinschaft, aufgerüttelt von den berichteten Gräueltaten, droht mit dem militärischen Eingreifen. Ein letzter Vermittlungsversuch im französischen Rambouillet scheitert im Februar 1999.
März 1999
Milošević setzt darauf, dass das beginnende Bombardement der Nato die westliche Allianz zersplittern und sein alter Verbündeter Russland zu ihm halten würde. Die Nato rechnet damit, dass Milošević spätestens nach einer Woche einlenken wird. Keine der Annahmen trifft zu. Nach 78 Tagen enden die Angriffe. Milošević spricht von einem Sieg, eine Nato-geführte Friedenstruppe rückt in das Kosovo ein.
Juni 1999
Nach dem Ende des Krieges nutzt Milošević die desillusionierte Stimmung in Serbien zu einer Propagandakampagne, die ihn erneut zum Retter Serbiens aufbaut. Doch die Infrastruktur des Landes ist zerstört, neue Sanktionen schwächen die kränkelnde Wirtschaft weiter. Im Juni 1999 wird Milošević wegen der Kriegsverbrechen des serbischen Militärs im Kosovo vor dem Den Haager Tribunal angeklagt.
Juli 2000
Milošević erwischt die Opposition wieder kalt: Er peitscht eine Verfassungsänderung durch, wonach er erneut als jugoslawischer Präsident kandidieren kann. Über eine Änderung des Wahlmodus für die Kammer der Republiken im Bundesparlament wird die Macht Montenegros eingeschränkt. Termin für die jugoslawischen Präsidenten- und Parlamentswahlen ist der 24. September.
September 2000
Bei den jugoslawischen Präsidentenwahlen am 24. September gewinnt der Kandidat der demokratischen Opposition Vojislaw Koštunica zwar den ersten Wahlgang, verfehlt aber laut offiziellen Ergebnissen knapp die absolute Mehrheit. Milošević hält an einer Stichwahl fest. Die Opposition wirft dem Regime Wahlbetrug vor und will die Anerkennung ihres Sieges mit einem Generalstreik durchsetzen.
5. Oktober 2000
Milošević-Gegner aus allen Teilen des Landes marschieren nach Belgrad. Am Nachmittag schlägt die Demonstration in einen Aufstand um. Das Parlament und der staatliche Fernsehsender werden besetzt. Polizei und Armee greifen nicht ein, sondern solidarisieren sich mit den Demonstranten. Am späten Abend erklärt sich Vojislav Koštunica zum neuen jugoslawischen Präsidenten. Milošević taucht ab.
Quo vadis, Slobo?
Der Kreis derer, die Milošević Asyl gewähren würden, ist übersichtlich. Moskau hat Vojislav Koštunica als legitimen Präsidenten anerkannt, China schweigt sich bislang aus. Nur der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko würde seinem slawischen Bruder Unterschlupf gewähren. Auch die Holländer haben großes Interesse: Das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wartet schon.
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