: Milošević will Schutzzone
Der gestürzte Präsident glaubt an eine Zukunft in Belgrad. Aber auch nach einem Exil wird gesucht
BERLIN taz/rtr ■ Rumänien und Bulgarien schlossen die Grenzen, die rumänische Armee war in Alarmbereitschaft: Berichte des US-Geheimdienstes, Slobodan Milošević stecke in einem grenznahen Bunker in Gewahrsam seiner Leibwächter und plane möglicherweise einen bewaffneten Ausbruchversuch, sorgten gestern Mittag für Aufregung. Dann stellte Russlands Außenminister Iwan Iwanow den untergetauchten Expräsidenten in Belgrad vor die Kameras, und die Gemüter beruhigten sich wieder. Aber ungeklärt blieb, was aus Milošević werden soll.
Die US-Berichte ließen ein Szenario möglich erscheinen, wonach die jugoslawischen Streitkräfte den vom UN-Kriegsverbrechtertribunal in Den Haag gesuchten Milošević ausliefern könnten – eventuell gegen gewisse Gegenleistungen. Carla del Ponte, Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals, bekräftigte gestern: „Ich bin bereit, Milošević jederzeit in Den Haag in Empfang zu nehmen“. Miloše- vić und vier weitere hohe Politiker sind wegen Verbrechen an der albanischen Bevölkerung im Kosovo angeklagt.
Dass dann Milošević an der Seite des Russen Iwanow auftrat, stellte klar, dass der Expräsident schon noch Freunde hat. Ein konkretes Angebot für ein „vergoldetes Exil“ liegt nicht vor, aber der Westen versucht bereits, Belgrads Staatsvermögen vor einem möglichen Zugriff eines geflüchteten Milošević zu schützen. „Angemessene Maßnahmen zum Schutz des Vermögens der Republik Serbien“ berieten gestern die USA und Italien. Schweizer Banken froren schon am Dienstag 100 Konten von Milošević-Anhängern ein; Milošević’ Konto ist seit Juni 1999 gesperrt. Zypern, beliebter Platz für dubiose russische und jugoslawische Geschäfte, fror gestern alle jugoslawischen Bankkonten ein.
Einer wird froh sein, über Milošević’ Schicksal nicht selber befinden zu müssen: sein Nachfolger Koštunica, der eine Auslieferung seines Vorgängers an die UNO bisher ablehnt, aber nun auf westliche Finanzhilfe angewiesen ist. Die Aktivitäten seiner Anhänger im Hinblick auf Milošević’ mögliche Pläne sind physischer Art. Man bewache den Tresorraum der jugoslawischen Nationalbank mit Goldreserven im Wert von 150 Millionen Dollar, erklärte Koštunicas Wirtschaftsexperte Mladjan Dinkić. „Mit körperlicher Gewalt“ habe man Milošević-Getreue daran gehindert, „harte Staatsdevisen auf die Konten der politischen Führung zu transferieren“. D. J.
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