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Nebu katausa Y Bischpo drugtir

■ Neues vom Spitzenteam: Das theatre du pain feiert „Fiesta Schizzophrenikka“

Dieser Fettgeruch. Überall dieser Fettgeruch. Sonnenblumenölfettgeruch. Elektroplattenüberhitzungsfettgeruch. Fettverbrennungsfettgeruch. Ellenbogenspitzenfettgeruch. Fleischfettfettgeruch. Zwei Tage lang hat der Chronist versucht, diesen Fettgeruch loszuwerden. Hat sich dreimal mit Bekleidung unter die Dusche gestellt. Ist in die chemische Reinigung gegangen. Hat sich sogar bei Windstärke elf auf das Aalto-Hochhaus gestellt, um ihn auszulüften. Doch dann hat er aufgegeben. Hat beschlossen, diesen Fettgeruch hinzunehmen, ihn zu lieben und zu ehren, bis ein neues Stück kommt. Ein neues Stück von Bremens lautester, dreckigster, abgedrehtester, musikalischster und – ja, Straßmann, Du hattest Recht, als Du an dieser Stelle einmal schriebst – eigentlich zutiefst sentimentaler Theatergruppe.

Das theatre du pain ist wieder da. Es feiert „Fiesta Schizzophrenicka“ und seine Neuformierung. Die allseits vertrauten Herren Hans König und Mateng Pollkläsener mussten Stefan Walkau ersetzen und haben Elton John engagiert. Elton John heißt natürlich nicht Elton John, sondern Wolfgang Suchner, Jonny Elberfeld, Magdalena oder Eva. Aber ich glaube, dass es Elton John ist. Genauso wie ich glaube, dass Mateng Pollkläsener alias Lars Linnert Vidrum oder Kublikovski in etwa der vierten Szene dieses seltsamen Spektakels wirklich seinen Ellenbogen in der Pfanne da auf der Herdplatte da auf dem Tisch da auf der Bühne des Kulturzentrums Schlachthofs brät. Ich glaube nämlich an Elton John. Und an einen bratenden Ellenbogen glaube ich auch.

Elton John spielt am Anfang sogar in so etwas wie einer Geschichte mit. Es ist die packende und rührende Geschichte einer Männerfreundschaft. Unter mysteriösen, hier auch mit Filmeinspielungen dokumentierten Umständen finden die Herren Vidrum (Pollkläsener), Hike (König) und Mench (Elton John) zueinander. Die von Geisterstimmen in der Sprache Gingisch vorgetragene Losung „Nebu katausa Y Bischpo drugtir, fallslibton nobrestla fuoerrgewether stroll“ (in etwa: „Wenn ein SPITZENTEAM will, bringt es ein FUSSVOLK dazu, ENGEL zu malen“) schweißt sie zusammen. Aber nicht lange. Denn plötzlich spielt der auch für „M. Walking on the Water“ tätige Elton John Suchner Tuba, und die Geschichte zerfasert, weil beim theatre du pain – auch in Neubesetzung – immer alles zerfasert, ziemlich ausufert und wieder in sich zusammenfällt, was der wesentliche Grund für die Komik dieser Stücke ist.

In dieser mal turbulenten, freilich auch mal schlaffen Revue stolpert das Trio über Wortgebilde, Mikrofonständer und andere Hindernisse. Denn es wächst hier zusammen, was nicht zusammmen gehört. Anrührende Szenen aus dem Paradiesgarten folgen in diesem neuen Theatre-du-pain-Dada auf schamanistische Szenen, schmetternde Rocksongs und melancholische Matrosenlieder. Die „Fiesta Schizzophrenikka“ ist ein bei Orkanstärke hin und her und auf und ab schwankendes Comedy-Gebilde, das sein Publikum genauso belästigt wie amüsiert und irritiert.

Hans König hat nicht zuletzt als künstlerischer Leiter des Kulturbahnhof Vegesack gezeigt, dass er auch familientaugliche Unterhaltung auf die Bühne bringen kann. Zusammen mit dem genialischen Mateng Pollkläsener und dem zerstreut-durchtriebenen Wolfgang John Elberfeld ist Herr König aber als eine Art Schwiegersohn mit Hang zu Fiesheiten richtig in seinem Element. Denn welches Theater schafft es schon, Hirn, Bauch und Nase gleichermaßen zu betören wie zu verstören, dass man hinterher tatsächlich Engel malt?

Christoph Köster

Weitere Aufführungen sind im Januar und oder oder Februar im Kulturzentrum Schlachthof geplant.

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