: Widerstand muss globalisiert werden
23. Bundeskongress der Entwicklungspolitischen Aktionsgruppen in Berlin: Weg vom Aktionismus
BERLIN taz ■ Spätestens seit den Tagungen von IWF und Weltbank in Prag und Seattle sind sie weltweit bekannt – die radikalen GlobalisierungsgegnerInnen. Hat sich da eine neue Widerstandsbewegung entwickelt oder ist das nur kurzlebiger Aktionismus? Dieser Frage widmete sich der 23. Bundeskongress Entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (Buko) in Berlin, an dem am Wochenende rund 150 AktivistInnen teilnahmen. Der 1977 gegründete Buko umfasst etwa 170 Dritte-Welt-Gruppen und internationalistische Basisinitiativen aus der gesamten Republik.
„WTO und soziale Bewegung im globalen Kapitalismus“ lautete das Motto der Veranstaltung in der Berliner Humboldt Universität. Markus Wissen vom Buko-Schwerpunkt Weltwirtschaft sieht neue Aufgaben auf das Bündnis zukommen. Es gehe um ein theoretisches Fundament. Bisher seien sowohl die Anti-WTO-Bewegung als auch das weltweite Bündnis gegen das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) rein aktionistisch aufgetreten. Die Gefahr, zu einer reinen Lobbyorganisation zu werden, sei groß.
Der Buko übt sich schon lange im Spagat zwischen „NGOisierung und der Verankerung in den Basisbewegungen“, wie Thomas Seibert von Medico International erklärte. Seine Organisation ist sowohl im Buko als auch in einem bundesweiten Bündnis von Nichtregierungsorganisationen (NGO) vertreten.
Seibert plädierte dafür, mit dem Mythos zu brechen, dass soziale Bewegungen per se fortschrittlicher als NGOs seien. Er warnte allerdings vor einer Entwicklung, in der die NGOs in die staatliche Militärpolitik eingebunden würden, wie schon bei einigen Flüchtlingshilfsgruppen während des Kosovokrieges geschehen.
NGOisierung versus sozialer Widerstand hieß die Frage, mit der sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion zur Eröffnung der Buko am Freitagabend beschäftigten. Während Barbara Unmüßig von „WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung“ die Erfolge der NGOisierung herausstrich, fühlte sich Miriam Fischer vom internationalen Widerstandsbündnis Peoples Global Action (PGA) vom Kampf der südmexikanischen Zapatistas inspiriert. Nach den Protesten von Seattle und Prag stoße das Eventhopping jedoch zunehmend an Grenzen. Damit die Proteste nicht auf eine mobile Elite beschränkt blieben, müsse jetzt verstärkt über Widerstand im Alltag nachgedacht werden.
Der Frankfurter Sozialwissenschaftler Alex Demirivic zeigte sich enttäuscht über die Regierungspolitik der Grünen. Die Aktionsbündnisse hätten hier nicht mehr viel zu holen. Stattdessen sieht Demirivic die Gewerkschaften als eine neue Chance, sich im Kampf gegen die Globalisierung zu engagieren. Er warnte gleichzeitig davor, den Neoliberalismus per se zu verteufeln. Er müsse als „politisch umkämpftes Terrain“ betrachtet werden. Die AktivistInnen müssten versuchen, den Neoliberalismus in ihrem Sinne neu zu definieren.
Konkrete Vorschläge, wie all das zu bewerkstelligen sei, gab es auf der 23. Buko jedoch nicht. Dafür stapelten sich an den Informationsständen im Foyer der Humboldt-Universität die Ankündigungen für zukünftige Protestevents. Neben dem EU-Gipfel im Dezember in Nizza steht auch das Welt-Economic-Forum (WEF) in Davos im Januar 2001 auf der Agenda.
PETER NOWAK
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