der homosexuelle mann ... von ELMAR KRAUSHAAR
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... und seine Medien: ein Trauerspiel! Zeitungen und Zeitschriften von Schwulen für Schwule gibt es stapelweise, und nach nur einer Querbeet-Lektüre möchte man dieser Familie nicht mehr angehören. Journalistische Arbeit – weit gefehlt. Dafür Gefälligkeitsartikel zuhauf für politische Gruppierungen oder das eine oder andere Unternehmen, dazwischen das ständig gleiche Szene-Geschwätz über die immer gleichen Personen. Allen voran das Pop-Duo Rosenstolz. Es gibt wohl niemanden sonst, über den so wenig so oft geschrieben wird, Polydor wird’s schon lenken.

Ansonsten hängt fast die ganze Branche am Tropf der Sex-Industrie. Kaum ein Blatt kommt aus ohne die vielen bunten Anzeigen der 0190-Nummern oder lockt mit standardisierten US-Pin-ups: Allzeit fette Rüben unter Palmen, auf dem Bett oder in verlassenen Fabriketagen. Dafür kein Gedanke weit und breit, eine Schreibe von denen, die ihrer nicht mächtig, und eine Themenvielfalt ganz ohne viel.

In diesem Einerlei ist es nicht schwer, eine besondere Stellung einzunehmen. Wie Männer aktuell, ein Magazin, das so bunt ist wie teuer, mit gutem Papier und noch besserem Layout. Seit fast zwanzig Jahren ist das Blatt auf dem Markt, dahinter steckt Bruno Gmünder, der sein Geld macht mit soften Pornos in Wort und Bild und Reiseführern in jeden Darkroom dieser Welt. So einer kann es sich leisten, jeden Monat ein Blatt auszustoßen, das seine Klientel so sehr hasst wie liebt.

Was auf den ersten Blick erscheint wie eine Wichsvorlage im Trend, wird beim weiteren Lesen zum Satiremagazin mit Lifestyle-Zuschlag, völlig verwirrten Polit-Pamphlet und zur Dreckschleuder. Das fängt an mit einer Kolumne der schweineordinären Désirée Nick, die sich jedes Mal mit einem fröhlichen „Votzsetzung folgt ...“ verabschiedet. Dann gibt’s den unvermeidlichen Ralf-König-Comix, ein paar Szene-Nachrichten und illustrierte Lebenshilfe für junge Jungs und alte Säcke. Dazwischen beispielsweise Interviews mit dem schwulen Traumpaar Dolce & Gabbana, mit Terrence McNally, dem Autor von „Corpus Christi“, oder mit Chris, einem schwarzen schwulen Schweizer, der Disco singt und Soul und sich Fragen gefallen lassen muss wie „Kannst du gut blasen?“ oder „Bist du beschnitten?“.

Aber das ist noch nicht alles an umfassendem Leserservice. Da wird der heterosexuelle Lars ganz nackt angeboten als „Studentenfutter“ und der Fotograf Henning von Berg gelobt als würdiger Nachfahre von Leni Riefenstahl, der „Erfinderin der gut ausgeleuchteten, heroischen Herrenmenschen der Nazis“. Und zwischendrin erläutert Nina Hagen den sakralen Sinn des Blow-Jobs, Schlucken inklusive. Aber man lernt auch noch dazu. Im Penis-Guide wird ausgerechnet, wie viele Kalorien in einer Portion Sperma stecken, wie viel Gramm jeder Hoden wiegt und wie hoch die Durchschnittsgeschwindigkeit beim Abspritzen ist. Schwule Medien müssen wohl so sein: üppig und überflüssig, großzügig im Anlauf und kleingeistig in der Ausführung, aber verschlossen und unzugänglich für jeden Hetero.