: In spätestens fünf Jahren in der EU
Polens Präsident Aleksander Kwaśniewski verfolgt nach seiner Wiederwahl den raschen Beitritt seines Landes als oberstes politisches Ziel. Sein Vorgänger Lech Wałesa wurde mit 0,8 Prozent der Stimmen ins politische Abseits geschoben
aus Warschau GABRIELE LESSER
In dem kleinen Pub in der Innenstadt Warschaus skandierten einige ältere Herren „Lechu! Lechu“, als sich die Kamera des polnischen Fernsehens auf sie richtete. Doch die Wahlparty Lech Wałesas wollte nicht so richtig in Gang kommen. Verzweifelt optimistisch knabberten die Anhänger Wałesas an Salzstangen, dann kamen die ersten Ergebnisse: 0,1 % für General Wilecki, 0,1 % für den Nationalisten Pawlowski, 0,2 % für den Linksradikalen Ikonowcz, 0,8 % für den Rechtsradikalen Lopuszanski, aber dann – wie war das möglich? –, dann kam schon Wałesa?
Die Partygäste trauten ihren eigenen Augen nicht: 0,8 Prozent für Wałesa. Im Pub herrscht fassungslose Stille. Dann beginnen einige zu klatschen, zwei rufen mutig „Bravo, bravo“ in den Saal. Im Lauf des Abends bessern sich die Zahlen nicht, Wałesa erscheint dort erst gar nicht.
Ganz anders im Hotel Gromada. Dorthin hatte der Wahlstab Aleksander Kwaśniewskis eingeladen – über 1.500 Gäste und 220 Journalisten waren gekommen. In den Fluren zwischen den Festsälen spielten kleine Bands, im Garten tanzten Laserstrahlen durch die Nacht, und im blau geschmückten Hauptsaal wartete eine Riesentorte. Als die ersten Ergebnisse bekannt gegeben wurden, schrien die Gäste vor Freude: „Olek, Olek!“ Mit 56,1 % hatte der Präsident die Wahl bereits in der ersten Runde gewonnen. „Ich bin glücklich“, bekannte Aleksander Kwaśniewski einige Minuten später. Seinem Mienenspiel jedoch war anzusehen, dass ihn die zurückliegenden Wochen ziemlich mitgenommen hatten. Der Videofilm mit der Papst-Parodie seines Sicherheitsberaters vor drei Jahren, die Bilder vom schwankenden Präsidenten auf dem Friedhof von Charkow, schließlich die gegen ihn gerichtete Wahlkampagne mit dem Präsidenten-Doppelgänger, der immerfort eine Wodkaflasche schwenkte und russische Generäle umarmte. Kwaśniewski war die Erleichterung anzusehen: Er hatte die Schmutzkampagne seines Herausforderers Marian Krzaklewski von der Solidarność überlebt. Er hatte gesiegt. „Ich bin der erste Präsident Polens, der schon im ersten Wahlgang gewonnen hat.“ Kwaśniewski will in seiner zweiten Amtszeit vor allem den Beitritt Polens in die EU bis 2005 vorantreiben: „Das ist die wichtigste und schwierigste Aufgabe. Nicht nur international gesehen, sondern auch wirtschaftlich und rechtlich, vor allem aber mental und psychologisch.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen