Serbien vor Neuwahl

Serbiens Regierung wird gekippt. Am 19. Dezember sollen Parlaments-und Präsidentenwahlen stattfinden. Vuk Drašković meldet sich zurück

aus Belgrad ANDREJ IVANJI

Am Montag um 13.45 Uhr unterbrach das Belgrader Radio „Index“ das Programm mit der Sensationsnachricht: Noch vor Beginn der ersten Sitzung des serbischen Parlaments soll sich eine Mehrheit der Abgeordneten geeinigt haben, der serbischen Regierung das Misstrauen auszusprechen und vorzeitige Parlaments- und Präsidentenwahlen in Serbien für den 19. Dezember anzusetzen. Für die Übergangsphase soll eine Expertenregierung gebildet werden, in der auch Vertreter der „Demokratischen Opposition Serbiens“ (DOS) vertreten sein werden.

Für die Stabilität Jugoslawiens hat die Entmachtung der alten Nomenklatura auf der serbischen Landesebene, dem eigentlichen Machtzentrum in Jugoslawien, höchste Priorität. Das weiß auch der neue Präsident Jugoslawiens, Vojislav Koštunica, und deshalb wohnte er persönlich den heftigen Debatten vor Beginn der Parlamentssitzung bei, um auf seine ruhige Art zwischen den verfeindeten Parteien zu vermitteln.

DOS vertritt die Meinung, dass die Übergangsregierung in Serbien dem bei der Präsidentenwahl geäußerten Volkswillen angepasst werden sollte. Die Mehrheit im serbischen Parlament bildete bisher die Koalition zwischen Milošević-Sozialisten (SPS), der jugoslawischen Linken (JUL) unter Vorsitz von Milošević Gattin Marković, und der ultranationalistischen „Radikalen Partei Serbien“ (SRS). Die Opposition vertrat die „Serbische Erneuerungsbewegung“ (SPO), eine der wenigen Oppositionsparteien, die 1997 die serbischen Parlamentswahlen nicht boykottiert hatte.

Alle diese Parteien hatten bei den Wahlen für das jugoslawische Bundesparlament und die Kommunalvertretungen in Serbien am 24. September katastrophal abgeschnitten, die SPO und SRS verloren über fünfzig Prozent ihrer Wähler. Vor allem SPO-Führer Vuk Drašković sieht eine Chance, politisch doch noch in Serbien mitmischen zu können. Nach vier Monaten kehrte er erstmals nach Belgrad zurück. „In Serbien habe ich Gesetzlosigkeit, Revanchismus und Stumpfsinnigkeit der schlimmsten Art angetroffen“, kritisierte Drašković. Private Gruppen würden sich selbstherrlich als Krisenstäbe ausgeben, und mit Hilfe von Kriminellen, die früher für Milošević arbeiteten, in Serbien plündern und lynchen.

Eine Bedingung, die Koštunica schon für seine Präsidentschaftskandidatur stellte, war, auf jegliche Zusammenarbeit mit Drašković zu verzichten, da der seit Jahren die Opposition spalte. Nun ist DOS doch auf eine Kooperation mit Drašković angewiesen. Unterdessen hat Koštunica Gespräche mit dem Präsidenten Montenegros, Milo Djukanović, aufgenommen. In Kürze soll erstmals nach drei Jahren der Verteidigungsrat Jugoslawiens zusammenkommen – der jugoslawische Präsident und die Präsidenten Serbiens und Montenegros –, um Änderungen in der Armeespitze durchzusetzen.