Krieg in den Köpfen

■ Selbstzerfleischung in Falk Richters „Peace“ auf Kampnagel

„Peace“ bedeutet Frieden und meint in Falk Richters jüngster Produktion inneren Frieden. Die Beruhigung hysterisch flackernder Sinne, fiebriger Herzen und durchgeknallter Gemüter. Es ist die Kluft zwischen einer Realität da draußen und dem selbst gelebten Leben, der Schmerz über die eigene Empfindungslosigkeit, die der Hamburger Regisseur zum Thema seiner Stü-cke macht. Ein Zustand, den er für kennzeichnend hält im Befinden seiner eigenen Generation der 30-Jährigen. Nothing Hurts, Richters Tanztheaterinszenierung zusammen mit der Choreografin Anouk van Dijk, die in diesem Jahr zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde, steht da beispielhaft für die physischen wie psychischen Zerreißproben, in die der Regisseur seine Schauspieler meist schickt.

Peace, eine Koproduktion von Kampnagel und der Berliner Schaubühne, die nach ihrer Uraufführung im Juni in Berlin jetzt in Hamburg gezeigt wird, entstand vor dem Hintergrund des Kosovo-Krieges. Deutschlands erster militärischer Einsatz nach dem Zweiten Weltkrieg, Bilder von Flüchtlingsströmen in den Medien, Reaktionen bei Freunden und Bekannten, Beobachtungen an sich selbst des-tillierte Richter in diesem Stück für acht Personen. Aber es ist kein Stück über den Konflikt auf dem Balkan. Eher geht es um den Krieg in den Köpfen, in denen sich Eigenes und Fremdes im Vakuum verzweifelter Ratlosigkeit mischt. Der Absolvent des Studiengangs Schauspieltheaterregie stellt Fragen an den Zeitgeist, roh, exzessiv, schlittert auch gerne an dessen aalglatten Oberflächen entlang.

Gott ist ein DJ gehörte in den letzten beiden Jahren zu den meistgespielten Stücken an deutschen Theatern. Zu Beginn dieser Saison hat Christoph Marthaler ihn in den Kreis seiner Hausregisseure am Schauspielhaus in Zürich aufgenommen. Eine regelmäßige Zusammenarbeit verbindet Richter zudem mit Gerardjan Rijnders „Toneelgroep Amsterdam“.

In Peace sind es die Trendsetter aus Kunst und Medien, jung, dynamisch, selbstverliebt, aufgeputscht und grenzenlos überfordert, die in einer Art „Durchgangslager“ aufeinandertreffen und sich im Vakuum ihrer Orientierungslosigkeit selbst zerfleischen: eine Journalis-tin, ein Fotograf, ein Videofilmer. Irgendwie haben sie alle mit dem Krieg zu tun. Die Bilder von Elend und Gewalt, bei denen niemand weiß, ob sie die Wahrheit zeigen, dienen hier als Folie, um die eigenen Emotionen loszutreten. Falk Richter hat Peace ebenfalls weitgehend zu Hause geschrieben. Zu abschließenden Recherchen ist er schließlich doch noch nach Prizren gefahren. Irmela Kästner

Premiere heute, 20 Uhr, Kampnagel, k6