: Brechmittel und mehr: Dr. Ritter kriegt es hin
Betr.: „Von Gespenstern in Haft gehalten“, taz vom 29.9.00
Bert Brecht sagte einmal treffend: „Das Unrecht ist nicht anonym, es hat einen Namen und eine Adresse.“ Dementsprechend wäre es gut gewesen, wenn die taz den Namen des Arztes, der für den Beweissicherungsdienst der Bremer Polizei den Gesundschreiber machen soll, auch nennt: Es handelt sich um Dr. Ritter, dem Mann für alle Fälle: Egal ob Brechmittelvergaben oder das Gesundschreiben von Halbtoten - Dr. Ritter kriegt es hin. Ich selbst habe mit diesem Arzt die bisher unangenehmste Erfahrung gemacht, als ein Mandant von mir, der nach seiner Abschiebung aus Bremen in der Türkei gefoltert worden war, im November 1999 unbedingt gleich wieder abgeschoben werden sollte. Sein selbst gewählter Psychiater bescheinigte u.a. ernsthafte Suizidgefahr im Fall einer Abschiebung. Weil die Ausländerbehörde von den erlittenen Folterungen wusste, und damit auch wusste, dass ein seriöser Facharzt - auch wenn er von der Ausländerbehörde beauftragt würde - nicht umhin kommen würde, die Diagnose der Suizidgefahr zu bestätigen, wurde Dr. Ritter damit beauftragt, die Reisefähigkeit des Mandanten zu prüfen.
Ich wollte Dr. Ritter daraufhin davon abhalten, eine psychiartrische Untersuchung meines Mandanten durchzuführen, weil er gar kein Facharzt für Psychiatrie ist. Das räumte er auch unumwunden ein, meinte aber, als Facharzt für Rechtsmedizin habe er auch etwas über Psychiatrie gelernt. Er denke nicht daran, den Auftrag der Ausländerbehörde auf Begutachtung meines Mandanten abzulehnen, nur weil er kein Facharzt für Psychiartrie sei: „Ich habe den Auftrag erhalten, und deshalb werde ich ihn ausführen.“ Ein massives Aufgebot von Unterstützern, verbunden mit einem Ablehnungsantrag gegen Dr. Ritter wegen Besorgnis der Befangenheit, konnten so viel Druck erzeugen, dass die Ausländerbehörde endgültig davon absah, Dr. Ritter als Gutachter einzusetzen. Der dann von der Behörde beauftragte Facharzt für Psychiatrie Prof. Dr. Weingard attestierte - wie bei einem Folteropfer zu erwarten war - u.a. Suizidgefährdung und Reiseunfähigkeit.
Dass der Ausländerbehörde diese Diagnose nicht passte, und dass der Leiter der Ausländerbehörde es immer noch nicht verwinden konnte, dass der von ihm bevorzugte Dr. Ritter seine Diagnose nicht abgeben konnte, zeigte sich dann, als der Mandant seine Duldung abholen wollte: Der Leiter der Ausländerbehörde, Dieter Trappmann, versuchte, meinen Mandanten in ein Gespräch über die erlittene Folter zu verwickeln, um mir dann hinterher zu sagen, der mache doch gar nicht so einen fertigen Eindruck. Auf die naheliegende Idee, dass der Leiter der Ausländerbehörde, die ihn in das Land seiner Folterer abgeschoben hatte, der letzte ist, dem mein Mandant Details seiner Folterung anvertraut, kam der Psychiatrie-Experte Trappmann nicht.
Es hat also Methode, wenn die Ausländerbehörde bei offensichtlich psychisch kranken Ausländern, die abgeschoben werden sollen, einen psychiatrischen Facharzt meidet wie der Teufel das Weihwasser. Denn natürlich wissen die dort Verantwortlichen ganz genau, dass ein seriöser Facharzt auch bei massivem Erwartungsdruck der Ausländerbehörde nicht behaupten wird, dass zwei und zwei fünf sind. Bei Dr. Ritter hingegen dürfte das Bedürfnis bestimmend sein, den erhaltenen Auftrag im Sinne der Ausländerbehörde auszuführen, da er sich noch nicht einmal traut, einen Auftrag unter Hinweis auf mangelnde psychiatrische Facharztausbildung abzulehnen.
Jan Sürig, Rechtsanwalt
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