standbild: Ein Kessel Buntes
Spiegel TV Reportage: Das Dritte Reich in Farbe 1939 –1940 (Mo., 23.15 Uhr, Sat.1)
Farbige Hitlers haben Konjunktur, bei öffentlich-rechtlichen wie privaten Sendern. Was Guido Knopp (ZDF) recht ist, ist Michael Kloft (Spiegel TV) billig.
Und Farbe hat was: So irreal die verblichenen Aufnahmen vom Agfa-Color blauen Himmel vor verwaschen grüner Heide sind, auf der sich braun uniformiertes Volk zum Appell zusammenschart – sie wirken anders als das sattsam bekannte Wochenschau-Grau.
Doch spätestens seit Knopps Hitler-Reihen ist ein Wettrennen um die bunten Bilder entbrannt: Tatsächlich taucht immer wieder bisher unbekanntes historisches Filmmaterial auf, und dass sich die Redaktionen überhaupt wieder auf die Suche machen und nicht sattsam bekanntes zum x-ten Mal umschneiden, ist auf jeden Fall sinnvoll und lobenswert.
Nur: Muss man auch wirklich alles zeigen? „Hauptsache Farbe“ scheint das Motto mancher Dokumentation, die dem Reiz der bunten Bilder erliegt. Der Aussagewert bleibt Nebensache.
Bei der jüngsten, auf drei Teile angelegten Spiegel-TV-Reihe zum „Dritten Reich in Farbe“ fehlt er aus einem anderen Grund zwischenzeitlich ganz. Denn präsentiert werden relativ kurze Schnipsel, bunt gemischt werden offizielle Aufnahmen in Propaganda-Color, mit denen farbbegeisterter Schmalfilm-Amateure verschnitten. Über die Herkunft des Materials, darunter auch farbiges Wochenschau-Material aus dem Ausland, gibt es aber kaum Auskunft. Dabei möchte man mehr sehen von den wieder aufgefundenen Bildern der Gaufilmstelle Halle-Merseburg, weil sie abseits von Reichshauptstadt-Paraden und Obersalzberg-Teerunden tatsächlich so etwas wie erschreckende Normalität zeigen. Alltag, der umso normaler wirkt, weil er in Farbe ist.
Doch die Spiegel-TV-Doku springt von Filmchen zu Filmchen, von Merseburg nach Berlin und London, begleitet die heutige Queen Mum beim Besuch der Weltausstellung 1939 in den USA und gefällt sich in Gemeinplätzen: Der Kommentar schwadroniert vom „Tanz auf dem Vulkan“, der natürlich „in vollen Zügen“ – und dem unmittelbar bevorstehenden Kriegsbeginn zum Trotz – „genossen wird“. Ein Kessel Buntes eben. STEFFEN GRIMBERG
(weitere Teile: Mo., 16. 10., und 23. 10., jeweils 23.15 Uhr, Sat.1)
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