Von Fidel, Papa, Oliver und Willy oder: Wie Marita Lorenz zu einer Figur im Schachspiel wurde. Die Protagonistin aus Wilfried Huismanns Film ist nach 50 Jahren zum ersten Mal nach Bremen zurückgekehrt

Seit fünfzig Jahren war die 1939 geborene Marita Lorenz nicht mehr in Bremen. Für die Uraufführung und einige Treffen mit alten Bekannten ist die „Bremer Mata Hari“ jetzt in die Hansestadt zurückgekehrt. Vielleicht, so verriet sie im taz -Gespräch, bleibt sie sogar länger und bereichert eines Tages die Gastronomieszene der Stadt ...

taz: Frau Lorenz, Sie waren seit 1950 nicht mehr in ihrer Heimatstadt, haben Sie inzwischen schon etwas in Bremen wiedererkannt?

Marita Lorenz: Bis jetzt hab ich noch kaum etwas von der Stadt gesehen, es war dunkel, als wir ankamen, nur das Rathaus und den Roland wollte ich gleich sehen. Ich hätte ja beinahe meinen Sohn Roland genannt, so lieb ist mir die Stadt. Und ich erinnere mich nur an die schönen Sachen: an unser Haus in Schwachhausen oder daran, wie ich als Kind im Bürgerpark Laterne gelaufen bin. Und immer, wenn es wirklich schlimm wurde in meinem Leben, kamen solche Erinnerungen und gaben mir Kraft. Ich weiß ja selbst, dass das kitschig ist, aber es ist auch wahr!

Aber Sie wollten dann doch schnell weg von Bremen, und ihre schönste Zeit war h auf den Schiffsreisen mit Ihrem Vater, dem Kapitän Heinrich Lorenz.

Ich war direkt nach dem Krieg einerseits ein armes deutsches Kind, aber durch meine amerikanische Mutter später dann auch ein reiches amerikanisches Kind, und dadurch führte ich von Anfang an ein Doppelleben. Auf dem Schiff war das anders, das war mein Zuhause. Da war mein Papa, da traf ich als kleines Mädchen solche Leute wie Willy Brandt und Theodor Heuss. Und so bin ich in mein Leben hineingeschliddert. Auf dem Schiff traf ich Castro, und danach kam ich durch meine Mutter mit der CIA in Kontakt, und die sagten sich: Sie ist zäh, kann fließend Spanisch und Englisch. Machen wir einen Roboter aus ihr, und dann kommen wir durch sie in Castros Schlafzimmer. Sie haben mich wie einen Bauern beim Schach eingesetzt.

Wenn man den Film sieht, dann wirken Sie manchmal wie ein Opfer, aber dann sagen Sie auch wieder, als CIA-Agentin wären Sie ein „happy bandit“ gewesen. Wie gelang es Ihnen, nicht ganz von den Verhältnissen untergepflügt zu werden?

Ich spielte immer auch meine eigenen Spiele, oft zu einem sehr hohen Preis. Und ich habe all das auch überstanden, weil ich mich so oft wie möglich darüber lustig gemacht habe. Und wirklich Spaß hat es gemacht, in Miami Boote zu stehlen. Das waren die 38 Fuß großen Yachten der ganz Reichen, die die CIA für Waffengeschäfte mit Guatemala brauchte. Und da bin ich dann mit Tauchanzug und Schnorchel nachts hingeschwommen, über mir im Boot hörte ich die Männer trinken und lachen, und durch die Planken konnte ich ihren Freundinnen unter die Röcke schauen. Dann schnitten wir die Taue durch, und die Leute waren so besoffen, dass sie später gar nicht merkten, dass das Boot weg war.

Im Film sagen Sie, Castro hätte Ihr Leben zerstört, aber Sie würden ihn immer noch lieben. Wie sehen Sie ihn heute?

Er ist ein bisschen älter und grauer geworden, aber ich kenne ihn noch ganz genau. Seine erste große Liebe vergisst man nicht, ich habe ein sehr intensives und auch verzweifeltes Jahr mit ihm gelebt, und ich kann noch heute sagen, was er denkt. Und ein Diktator war er schon damals. Von Politik hatte er wenig Ahnung, das hat er selber zugegeben. Er war eher ein eifersüchtiger Rüpel, aber ich war auch eifersüchtig und stark. Ich drohte ihm immer damit, ihm im Schlaf den Bart abzuschneiden. Ich war seine starke Deutsche. Er liebte ja alles Deutsche: die Technik, die Medizin und dass das Land nach dem Krieg so schnell wieder aufgebaut wurde. Und er liebte meinen Vater. Der redete mit ihm wie mit einem kleinen Jungen. Er fragte ihn um Rat und wollte ihn zum Minister für Tourismus machen, und mein Vater hat dann immer nur zu mir hergeblickt.

Nach Ihrer Geschichte müsste sich doch eigentlich Hollywood alle Finger ablecken. Gab es da keine Angebote?

Nur Oliver Stone hatte den Schneid dazu, er ist ja auch solch ein „rebell bandit“, und er sagte zu mir „that's my kind of movie“. Ich habe ihm dann auch bei „JFK“ geholfen, aber dann war das Timing schlecht, und als ich wieder mit ihm hätte arbeiten können, hatte er mit „Natural Born Killers“ eine andere Richtung eingeschlagen. Aber wir telefonieren noch miteinander. Er will irgendwann den Film doch noch machen, aber Willy kam dann als Erster.

Das musste ja auch seltsam für Sie sein, dass da ausgerechent jemand aus Bremen kommt, um einen Film über Sie zu machen?

Ich war zuerst auch sehr misstrauisch. Er wurde von den falschen Leuten bei mir eingeführt, und ich dachte zuerst, er würde vom CIA geschickt. Bei unserem ersten Treffen hatte ich einen Revolver neben meinem Bett. Aber jetzt habe ich das Gefühl, mit diesem Film mit vielem abgeschlossen zu haben. Das ist wie ein schwerer Koffer, den ich immer hinter mir herziehen musste. Jetzt würde ich gerne richtig zurück nach Deutschland kommen. Vielleicht könnte ich ja auf einem Schiff an der Weser ein kubanisches Restaurant eröffnen.

Fragen: Wilfried Hippen