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Joachim Król spaziert als Commissario Brunetti durchs venezianische Idyll und löst Fälle. Der Urlaubslektüren-Stoff funktioniert auch im Fernsehen („Vendetta“, 20.15 Uhr, ARD)

Als Urlaubslektüre taugen die Krimis von Donna Leon mit Sicherheit – für alle, die mit Ingrid Noll schon fertig sind. In mittlerweile acht Fällen bewegt sich der sympathische Commissario Brunetti seit 1993 gemächlich und unprätentiös, aber mit viel Liebe für die kleinen Dinge des Lebens durch die malerische Kulisse schlechthin, durch Venedig – und klärt Verbrechen auf.

Seit 1981 lebt die in New Jersey, USA, geborene Donna Leon bereits in der kleinen großen Stadt der Liebe und versucht in ihren Büchern die Dissonanz zwischen außergewöhnlicher Schönheit und gewöhnlichem Alltag des Ortes und seiner Bewohner einzufangen. Mit gesellschaftskritischem Unterton und einem liebevollen Blick auf die in kleineren Städten übliche soziale Kontrolle bewegt sie Figuren durch eine Stadt, die bei genauerem Blick der eigentliche Protagonist ist. Das gefällt den Lesern. Bei millionenfach verkauften Büchern, die regelmäßig in den Bestsellerlisten wiederzufinden sind, war es nur eine Frage der Zeit, bis über eine filmische Umsetzung nachgedacht wird.

Katharina Trebitsch hat nun zwei Fälle, „Vendetta“ und „Venezianische Scharade“ (Montag, 20.15 Uhr), für die ARD produziert. Aufgewartet wird mit einer deutschen Starbesetzung: Joachim Król gibt den mitfühlenden Commissario Brunetti, der die Abgründe der menschlichen Natur oft kaum erträgt, wäre da nicht seine wundervolle Familie. Barbara Auer spielt seine liebende und kluge Frau Paola, die, während sie den Rotwein dekantiert, über ihre letzte Vorlesung an der Uni sinniert und gleichzeitig mit freundlicher Bestimmtheit ihre aufgeräumt pubertierenden Kinder erzieht.

Mit Carl Fischer als Brunettis rechter Hand Vianello und Michael Degen als eitlem Chef Patta haben zwei weitere Figuren prominente Gesichter bekommen. Auch Nebenrollen sind mit Heinz Hoenig oder Gudrun Landgrebe edel ausstaffiert. Der Traum eines jeden Vorgesetzten muss jedoch die Figur der Elettra (Annett Renneberg) sein, die charmant, präzise und eigenständig arbeitet und dabei stets noch frischer wirkt als die sie umgebenden Schnittblumen.

Liebevolle Gutmenschen

Und so gestalten sie alle sich ihren oft bedrückenden Arbeitsalltag durch liebevoll gutmenschelnde und milde Umgangsformen erträglicher – woran nichts Schlimmes wäre, beschliche einen bei der sehr ästhetischen Umsetzung des Romanstoffs nicht ein unschönes Gefühl. Dass nämlich, wie so oft bei Romanverfilmungen, die Qualität des womöglich zwischen den Zeilen Geschriebenen schwerlich in filmische Bilder zu übersetzen ist.

Da genügt es nicht, der zauberhaft inszenierten Kulisse ein paar abscheuliche und schockierende Bilder des Verbrechens gegenüberzustellen. Denn nicht erst seit Donna Leon wissen wir, dass der Sumpf aus Korruption und Verbrechen umso stärker stinkt, je schöner die Fassaden restauriert sind. Auch das ein Gemeinplatz – wie Brunettis Familie, die als mikrokosmisches paradise regained inszeniert wird.

Der Schweizer Regisseur Christian von Castelberg hat die Bücher ebenfalls als Urlaubslektüre verschlungen und weiß um die veränderte, oft problematische Sichtweise bei der Verfilmung. Vielleicht ist es daher müßig, den entstandenen Episoden die Frage nach der Authentizität stellen zu wollen, wenn mehrheitlich deutschsprachige Schauspieler die Rollen von Figuren besetzen, die man sich – als in Deutschland lebende – eben italienischer vorstellt.

Und kann eine überzeugende Atmosphäre entstehen, wenn dunkles Haupthaar und die Etiketten auf dem Wein die einzigen Anhaltspunkte für die venezianische Folie bilden und die Figuren sogar ihre eigenen Namen mit deutschem Akzent aussprechen? Das italienische Pendant zu Klara hört sich einfach besser an, wenn man es nicht Ki-ara ausspricht, gleiches gilt für Gu-ido. Aber das sind dann wirklich Feinheiten.

Der Blick von Brunettis Dachterrasse lässt sich trotzdem genießen – als Vorgeschmack auf den nächsten Urlaub.

KIRSTEN KOHLHAW