: Polnisch wichtiger noch als Englisch
Was den Marktführern des Musikbusiness in Ungarn weitgehend gelungen ist, ist in Polen noch ein weiter Weg: Die heimische Rockmusik lässt sich nicht verdrängen. MTV sendet in Polen einige Stunden in der Landessprache.
Zwei Drittel aller Songs, die Artur und Magda hören, kommen aus Polen. Und gegen das Polnische kommt Englisch kaum an. Ausländische Musik wird zwar immer öfter im Radio gespielt, doch nur jedes dritte Lieblingslied polnischer Teenager ist angelsächsisch. Am beliebtesten ist der polnische Pop, gleich dahinter kommen Dance und Rock. Allerdings ist der Geschmack eher konservativ.
Gestandene Talente geben den Ton an. Die Altrocker von Budka Suflera sind seit drei Jahren ganz oben in der Verkaufsliste zu finden. Im Pop und Dance wurden die heute Ton angebenden Talente Mitte der Neunzigerjahre entdeckt.
Ein gutes Beispiel ist Edyta Górniak, die Eurovisionszweite von Dublin 1994. Der Musikmajor Emi wollte das polnische Stimmwunder zu einem internationalen Star aufbauen, Japan wurde zum Testfeld erkoren. Die Sache ging in die Hosen. „Wieso sollen wir jemand kaufen, der versucht, wie Mariah Carey zu singen, wenn wir auch das Original haben können?“, fragten die Japaner.
Das war ihr internationales Ende. Aber in Polen kommt Edyta Górniak nach wie vor gut über die Runden. Ähnlich ergeht es Kasia Kowalska, Anita Lipnicka (Ex-Various-Manx), Edyta Bartosziewicz und Natalia Kukulska. Sie alle wissen nicht so richtig, ob sie Soul, Rock oder Pop singen sollen. Jusztyna Steczkowska, noch so eine Größe, blieb immer experimentell – was ihren Verkaufszahlen nie gut tat.
Einzig Kasia Kowalska, die Frontsängerin von Hey, hat den konformistischen Weg immer wieder verlassen. Gewürdigt wird es nicht. Auch der polnische Rap hat nachgelassen. Der Gangstarapper Liroy, 1995 wegen seiner rüden Sprache sehr hip, ist zahm geworden.
Kaliber 44 behaupten mit ihren politischen Attacken im Rapstil standhaft gute Verkaufszahlen. Aber: Nur Heavy Metal und Punk werden noch seltener gehört. Wehmütig erinnert man sich an früher, als die Punkgruppen Armia und Big Cyc unzufriedene Jugendliche anzogen.
Heute hat nur Kazik, solo rappender Frontmann der sozialkritischen Gruppe Kult, ein mehr als undergroundfähiges Marktpotenzial. Weitab der Popmusik haben sich manche Punks gehalten. Es gibt Dutzende von ihnen. Branchenführer ist, wer schon zu realsozialistischer Zeit aktiv war: Nikt Nic Nie Wie und Antena Krzyku. Im gleichen Genre musiziert die Band Ewa Braun; sie genießt unter Hipstern Kultstatus.
Einen anderen Weg hat Armia eingeschlagen. Die Punker singen von Jesus Christus. Unterstützt werden sie dabei von Mitgliedern der legendären Punkcombo Moskwa, die überzeugt sind, der Teufel hätte sie zu Punks gemacht. 2tm2,3 sind die populärsten christlichen Rocker.
Brathanki und ihr Debüt („Ano!“) sind die Stars der Saison. Sie reiten auf einer neuen, auch von Jugendlichen akzeptierten Volksmusikwelle, die mit Goran Bregovic begann. PAUL FLÜCKIGER
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