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EU akzeptiert Schrottreaktoren

Sicherheitsstandards spielen bei alten AKWs im Osten immer weniger eine Rolle, so ein Bericht. Osterweiterung ist für die EU auch mit unsicheren Reaktoren denkbar. Bis heute keine einheitlichen Mindeststandards. Kampagne von Umweltschützern

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Als die Europäische Union zu Beginn der Neunzigerjahre ihren Blick nach Osten richtete, steckte der Tschernobylschock allen noch in den Knochen. Gestern startete Friends of the Earth (FoE), ein Zusammenschluss von Umweltorganisationen in Europa, in Brüssel eine Kampagne, die vor allem dazu dient, das Gedächtnis der verantwortlichen Politiker aufzufrischen. Denn ein neuer Bericht von FoE mit dem Titel „Wie sicher ist sicher“ belegt, dass dieser Schock wohl nicht lange anhielt.

Damals war klar: Die Beitrittsverhandlungen mit neuen Mitgliedern würden auch eine Chance sein, die schlimmsten Zeitbomben im Osten endlich zu entschärfen. Vor allem bezüglich der östlichen Grenzländer der EU gab es einen großen Konsens: Wer zu unserem Club gehören will, muss Risikoreaktoren Marke Tschernobyl zuvor stillgelegt haben. An dieses Junktim will heute keiner mehr erinnert werden. Temelin ist ans Netz gegangen, ohne dass die Tschechische Republik dadurch ihre Chance verspielt hätte, in der ersten Gruppe neuer Mitglieder zu sein. Der Risikoreaktor Bohunice V1 in der Slowakei hätte ursprünglich im Jahr 2000 dicht machen sollen. Nun hat die EU-Kommission einer Restlaufzeit bis 2008 zugestimmt. „Wir wollen zeigen, wie unverantwortlich die EU dieses Thema angeht“, sagte Martin Rocholl, FoE-Koordinator.

Dabei hatten die europäischen Staatschefs mehrfach betont, dass die Kandidatenländer hohe Sicherheitsstandards in ihren Atomkraftwerken erreichen müssen. Bei diesen Absichtserklärungen ist es aber geblieben. Bis heute gibt es in der EU keine einheitlichen Mindeststandards für Atomkraftwerke. Erst am 13. September hat eine vom Rat beauftragte Arbeitsgruppe damit begonnen, solche Kriterien zu erarbeiten.

In diesem Niemandsland fällt es den Beitrittsländern leicht, Kritik an ihren Atomanlagen abzuwehren. Das Argument, die beiden finnischen Reaktoren VVER 440/230 und VVER Loviisa seien ebenfalls vom Tschernobyl-Typ, hält Friends of the Earth aber nicht für stichhaltig. Diese beiden Kraftwerke seien nämlich vor dem Start auf westliche Standards aufgerüstet worden. Die nun geplante Nachrüstung im Osten dagegen sei ein Experiment mit ungewissem Ausgang und fülle lediglich die Auftragsbücher der von Flaute bedrohten Atomindustrie. Hilfsweise hat die Umweltorganisation auch noch ein Wettbewerbsargument auf Lager: Unterschiedliche Standards in West und Ost würden dazu führen, dass Energie in Osteuropa billiger produziert werden könne als mit den hohen Auflagen im Westen – ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung.

Der Bericht enthält ein „Who is Who“ der europäischen Atomkontrolle, das Schlafstörungen verursachen kann. Während der Euratom-Vertrag die Frage nuklearer Sicherheit überhaupt nicht berührt, sind die Kriterien der internationalen Atomenergiebehörde in Wien so weich, dass sie sogar von den AKWs Marke Tschernobyl erfüllt werden. Nur die EU-Kommission hat in der Vergangenheit auf strenge Kriterien für die Kandidatenländer bestanden. Die Generaldirektion Umwelt hat im letzten Jahr eine Arbeitsgruppe zusammengestellt, die EU-Mindeststandards erarbeiten sollte. Laut Bericht von FoE hat Lobbydruck osteuropäischer Kraftwerkbetreiber dazu geführt, dass die Arbeitsgruppe geschlossen wurde.

Ein deutliches Zeichen für die geänderte Haltung der EU-Kommission ist auch die Tatsache, dass die Abteilung Nuklearsicherheit aus der Generaldirektion Umwelt in die GD Transport und Energie gewandert ist. Deren oberste Chefin ist nämlich Kommissarin Loyola de Palacio,eine erklärte Befürworterin von Atomenergie.

Studie unter: www.foeeurope.org

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