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Eine quälende Diskussion

Mahnmalsgegner Uwe Lehmann-Brauns (CDU) lud zur Diskussion über die Zukunft des Gedenkens mit Vertretern der jüdischen Gedenkstätten und der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen

von BERT SCHULZ

Wird jemand in Zukunft daran denken, was auf dieser Diskussion über die „Zukunft des Gedenkens“ geäußert wurde? Vielleicht: Immerhin bot die Veranstaltung auf Einladung der CDU-Fraktion am Dienstagabend den sieben Teilnehmern reichlich Gelegenheit, plakative Forderungen zu stellen.

So nutzte der Diskussionsleiter und kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Uwe Lehmann-Brauns, sein selbst geschaffenes Forum im wohligen Gleichklang mit der Parteifreundin und Chefin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, um eine „ganzheitliche Betrachtung“ der deutschen Geschichte anzumahnen. Im Klartext: „Deutsche sollten nicht nur als Täter, sondern auch als Opfer gesehen werden“, so Lehmann-Brauns. Letztere könne man schwer in Gruppen einteilen, erklärte die BdV-Chefin. Was Steinbach, die sich selbst als Außenseiterin in der Runde bezeichnete, nicht davon abhielt, ihren Wunsch nach einem „Zentrum der Vertriebenen“ zu erneuern.

Mit erstaunlicher Gelassenheit gingen die vier jüdischen VertreterInnen auf dem Podium, darunter der Direktor des Jüdischen Museums, Michael Blumenthal, über diese Provokation hinweg und resümierten lieber die langwierige Auseinandersetzung um das Holocaust-Mahnmal. „Quälend“ sei die Auseinandersetzung gewesen, erklärte Julius Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums. Als „zum Teil verletzend“, beurteilte die Mahnmal-Diskussion Lea Rosh, eine der Initiatorinnen der Gedenkstätte.

Sichtbar schwer tat sich Lehmann-Brauns mit dem Bundestagsbeschluss zum Holocaust-Mahnmal. Zwar betonte er mehrfach, die Entscheidung zu respektieren. In seinem zuvor verteilten Thesenpapier heißt es jedoch: „Nach wie vor“ stehe die Union Tendenzen kritisch gegenüber, „die deutsche Schuld durch eine Materialquantifizierung bis hin zur Gigantomanie zu bewältigen“.

Julius Schoeps sorgte sich, dass das Mahnmal und die Topographie des Terrors sowie das Centrum Judaicum und das Jüdische Museum sich in ihren Aufgaben überschneiden würden. Hermann Simon, Leiter des Centrums, sprach hingegen von einer sinnvollen Konkurrenz. „Wir müssen Projekte gemeinsam machen, um möglichen Geldgebern zu zeigen, dass wir an einem Strang ziehen“, sagte er an die Adresse von Michael Blumenthal, Leiter des Museums. Der wiederum forderte den Aufbau einer „Ethik des Gedenkens“. Vermieden werde müsste jedoch, „gegeneinander zu gedenken“. Wie man in Zukunft gedenken werde, sei „sehr zeitgebunden“, erinnerte Schoeps. „Ich fürchte den Tag, wenn in 100 Jahren der Bundestag den Abriss des Mahnmals beschließt“, meinte er pessimistisch. Für Lea Rosh ist dies undenkbar. „Zu einzigartig, zu groß und zu gewaltig“ sei der Holocaust gewesen.

Insgesamt blieben heftige Wortgefechte jedoch aus. „Die Teilnehmer waren nett zueinander“, zeigte sich Lehmann-Brauns zufrieden. „Das ist selten in Berlin.“

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