Eine Kette aus Kunstfehlern

Nach dem Aus für das zentrale Rundfunk- und Fernseharchiv übt sich der Berliner Senat jetzt in Schadensbegrenzung

Vor drei Wochen hatte der Berliner Senat den Patienten schon für tot erklärt, jetzt will er eine Reanimation versuchen. Zwar könne das geplante Rundfunkmuseum am Potsdamer Platz, die Deutsche Mediathek, „in der ursprünglichen Konzeption nicht eingerichtet werden“, ließ die Stadtregierung am Dienstag wissen. Doch am „Gedanken“, ein „Schaufenster der Rundfunklandschaft“ zu schaffen, wolle man festhalten. Deshalb soll der Chef des gerade mit großem Pomp eröffneten Filmmuseums, Hans Helmut Prinzler, ein abgespecktes Konzept unter dem Dach seines eigenen Hauses entwickeln.

Dem Senat geht es dabei um Schadensbegrenzung. Nicht, dass sich Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) von der Kritik des Feuilletons beeindrucken ließe – auch wenn er gewiss gehofft hatte, das Mediathek-Desaster werde im Getöse der Filmmuseums-Eröffnung untergehen. Nein, das Stadtoberhaupt lässt sich von weit banaleren Motiven leiten. Schließlich wollen jene 2.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche gefüllt sein, die der Stadtstaat auf 25 Jahre angemietet hat. Und jene neun Millionen Mark für die Mediathek, mit denen sich der französische Mischkonzern Vivendi die Übernahme der hauptstädtischen Wasserbetriebe erkauft hatte, sollen natürlich auch nicht verfallen.

Schwieriger wird es schon mit den ohnehin mageren drei Millionen Mark, mit denen sich die Sender am alten Mediatheksmodell beteiligen wollten. Ob sie dieses Geld auch für eine bloße Abteilung des Filmmuseums springen lassen, steht in den Sternen. Zumal dessen Chef Prinzler einen Schwerpunkt auf die „Verbindung von Film und Fernsehen“ legen will, weil die bislang zu kurz gekommen sei. Gleichzeitig will er allerdings am „Kerngedanken“ der Mediathek festhalten, dem breiten Publikum ausgewählte Sendungen aus der Geschichte von Funk und Fernsehen zugänglich zu machen. Mit einer Illusion räumt Prinzler allerdings auf: Der Wunsch der Vivendi-Gruppe, die Mediathek möge ihre Kosten eines Tages selbst einspielen, lasse sich nicht erfüllen.

Bleibt also die Frage, wer das Projekt finanzieren wird, wenn die Millionen aus der Konzernkasse aufgebraucht sind – und damit steht der neue Mediatheksbeauftragte wieder dort, wo sein Vorgänger gescheitert war: Weder Politiker noch Intendanten wollen das Risiko tragen.

Deshalb hat die Reanimation, die der Berliner Senat jetzt versucht, vorerst nur einen offensichtlichen Zweck: Sie soll eine beispiellose Kette von Kunstfehlern verschleiern.

RALPH BOLLMANN