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Senk you and bye bye!

Die Deutschen wollen nichts über fremde Kulturen wissen. Aber sie lieben alles, was sie für amerikanisch halten. Multikulti ist bloß eine nette Illusion der Bundesregierung

„Wis oder wisout?“, fragte die Kellnerin und meinte, ob ich den Kuchen mit oder ohne Sahne wollte

Es sind deprimierende Zeiten in Deutschland. Synagogen werden geschändet, farbige Ausländer getötet. Alle sind empört, unternommen wird jedoch nichts. Statt den Rassismus und Rechtsextremismus wirksam zu bekämpfen, streiten die Politiker weiterhin, ob die NPD verboten werden soll oder nicht. Erst wollte die SPD das Verbot nicht, jetzt doch. Die CDU war zuerst dafür, jetzt nicht mehr. Die Gewalt geht währenddessen weiter.

Um ihre Handlungsunfähigkeit zu verschleiern, schlägt die Regierung Multikulturalität als eine patente Lösung vor. Deutschland soll Einwanderungsland werden. Die Vielfalt der Kultur, die Ausländer mitbringen, soll Deutschland bereichern. Und übrigens, man braucht hier 450.000 neue Ausländer, um die Rentenkassen zu füllen. Sonst müssten die Deutschen bis zum 77. Lebensjahr arbeiten. Leider steht die Regierung auf verlorenem Posten mit diesen Argumenten.

Die Mehrheit der Deutschen möchte jedoch keine multikulturelle Gesellschaft. Schon gar nichts will man von den Kulturen der potenziellen Einwanderer aus Asien und Afrika wissen. Stattdessen interessieren sich die Deutschen lieber fürs Amerikanische – und das gleich so stark, dass sie dabei sind, ihre eigene Sprache, Kultur und Identität aufzugeben. Besonders Besorgnis erregend ist der Missbrauch der deutschen Sprache. Es ist fast unmöglich geworden, einen Satz ohne einen amerikanischen Ausdruck zu hören. Hinzu kommt, dass die Fremdwörter fast immer mit einer rabiaten Willkür eingesetzt werden.

Letztens bestellte ich Kaffee und Apfelkuchen in einem Café in Hamburg-Eppendorf. „Wis oder Wisout?“, fragte mich die Kellnerin. Sie wollte wissen, ob ich den Kuchen mit oder ohne Sahne haben möchte. Die Tische waren alte Nähmaschinen, dazu sang Celine Dion „My heart will go on“. Das Publikum war, was man in meinem geliebten Ruhrpott „Geilfühler“ nennen würde. Männer, die wow statt toll sagen, Frauen, die Tschüssi statt Tschüs sagen. Man hörte ständig Worte wie „Kick“, „Just in time“, „Banker“ etc. Als ich der Kellnerin sagte, dass 14,90 Mark für Kaffee und ein Stück Kuchen ein „Rip off“ wären, zuckte sie nur die Schultern, nahm mein Geld und sagte: „Senk you und bye bye“.

In Dortmund wurden neue Telefonzellen installiert. Ein junges Paar versuchte, die Geräte zu bedienen – ohne Erfolg. Nach einigem Hin und Her öffnete die Frau die Tür und fragte mich: „Please, how we can make it in the Telephone-box?“ Als jemand, der aus dem Land des Kamasutra stammt, musste ich die Serpentinenstellung empfehlen.

Die Vorliebe für Englisch ist mittlerweile nicht nur großstadtspezifisch. Selm, ein verschlafenes Dorf, mit 15.000 Einwohnern, in der Nähe von Münster: Hier heißen die zwei Bekleidungsläden „Boys & Girls“ und „Lifestyle“! Im Selmer Kreiskurier ist zu lesen, dass das Lokal „Mutter Stuff“ „Candle-light-dinner“ anbietet. Und wenn die Ruhr Nachrichten auch noch den traditionsreichen Nikolaustag zum „Nik Day“ taufen, ist mein Freund Erich Kindermann, ein pensionierter Bergmann, fassungslos: „Woher kommt dat alles? Für ältere Menschen sind all die Läden mit englischen Namen eine Überforderung. Oftmals wissen wir nicht mal, was dort verkauft wird.“

Mit der Ausdrucksweise der Politiker kommt Erich schon gar nicht klar. Kein Wunder. Heutzutage machen die Politiker keine Aussagen, sondern geben Statements. Sie sammeln keine Ideen, betreiben aber Brainstorming. Es werden danach nicht Arbeitsgruppen gebildet, sondern eine „Task Force“. Auf der anderen Seite nennen sich rechtsextreme Gruppen auch noch „Blood & Honour“, ganz entgegen der Lehre des alten Adolf. Er bezeichnete doch alles Fremde als unrein, und besonders alles Amerikanische als Negerei.

Seitdem die Privaten sich in der Fernsehlandschaft breit gemacht haben, brauchen die USA keine Außenvertretung mehr in Deutschland. Dass viele Jugendliche heute lieber Basketball spielen als Fußball, ist kein Zufall. Im Ruhrgebiet, wo Fußball eine Religion war, sind viele Vereine jetzt dazu gezwungen, ihre Jugendmannschaften aufzulösen. Nicht selten müssen sich Vereine zusammenschließen, um überhaupt zu überleben.

Auch wenn sich niemand für nicht amerikanische Kulturen interessiert, eines gibt es: oberflächliche multikulturelle Werbung. Jeeps mit indianischen Namen wie Cherokee werden angeboten. In dem Dschungel, der Deutschland ist, braucht man Geländewagen mit Allradantrieb, zwei Fernlichtern, vier Scheinwerfern und Heavy-Duty-Radial-Reifen. Weitere scheinbar multikulturelle Produkte: Parfums mit indischen Namen wie Samskara und Jaipur, Mountainbikes, die Zulu Warrior heißen, Mustangjeans und Siouxschuhe. Und dann das Lieblingspielzeug der Deutschen, Handys mit Call-Ya, amerikanischer Slang für call you. (Übrigens: Nur in Deutschland heißen Handys Handys. In Amerika sind es „mobile phones“ oder „cell phones“.)

Die heiligste deutsche Institution, der Schützenverein, wird bald zur Hunters’ League mutiert sein

In der Sparte Spielfilm und Serien bieten die Öffentlich-Rechtlichen neben den original amerikanischen Konserven auch US-Dosenfutter Made in Germany. In einem Krimi, der in Köln spielt, werden Kinder mit einem Schulbus abgeholt. Dies ist jedoch kein normaler deutscher Schulbus, sondern ein amerikanischer Dodge, mit der Beschriftung „Schoolbus“. Der Fahrer und die Kinder tragen Baseballmützen. Eine Mutter bringt ihren Sohn Kevin etwas spät zur Haltestelle. Der Fahrer öffnet die Bustür und sagt: „Für die Verspätung müssen Sie etwas in die Dose tun, Medem [Madame]. Es ist für die Kids, wissen Sie.“

Es kommt noch schriller. In der ZDF-Serie „Der Alte“ heißt der weiße Kollege des Hauptkommissars Tom. Aber den farbigen Assistenten nennt man unglaublicherweise Axel. Den angepassten Ausländern gönnt man ja deutsche Namen. Im alltäglichen Leben ist es keine Seltenheit, dass man Kinder trifft mit Namen wie Amanda und Jack. Im Jahre 20XX wird es normal sein, dass die Eltern Amanda und Jack Schmidt heißen, und deren Kinder Jennifer und Timothy. Sie werden ihre Eltern Mom and Dad rufen. Eingekauft wird bei Wal-Mart und Safeway’s. Auf der Autobahn keine Raststätten, sondern McDonald’s, und Jack in the Box. In der Fußballbundesliga werden Dortmund All Saints und Stuttgart Supersonics spielen. Und die heiligste deutsche Institution, der Schützenverein, wird zur Hunters’ League.

Im Bundestag wird es heftige Debatten geben, ob Deutschland zukünftig in Germany oder United States of Germany umbenannt werden soll. Diese Maßnahme wird dringend empfohlen werden, um Deutschland für die ausländischen Investoren als weltoffen und liberal darzustellen. Eines wird jedoch beim Alten blieben. Die Hinweisschilder in den Asyl- und Ausländerbehörden werden immer noch deutsch sein. ASHWIN RAMAN

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