piwik no script img

Roms Bürgermeister tritt an

Italiens Mitte-links-Regierung nominiert Francesco Rutelli als Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen. Drei Konkurrenten könnten die Siegchancen schmälern

ROM taz ■ Gerade drei Stunden brauchte am Samstag die in Mailand zusammengekommene „Convention“ der Mitte-links-Koalition, um Francesco Rutelli offiziell zum Spitzenkandidaten für die Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr zu küren. Auf eine formelle Abstimmung wurde verzichtet. Die 1.500 Delegierten – nationale, regionale und lokale Mandatsträger der Regierungsparteien – und die etwa 8.000 Gäste besorgten die Nominierung per Akklamation.

Die Entscheidung für den Bürgermeister Roms war schon vorher gefallen, als Ministerpräsident Giuliano Amato seinen Verzicht auf eine neue Kandidatur mitgeteilt hatte. Das Ulivo(„Ölbaum“)-Bündnis konnte sich deshalb in Mailand darauf konzentrieren, offiziell den Wahlkampf gegen rechts einzuläuten und dem Land eine Demonstration neuer Einigkeit und Siegeszuversicht zu geben.

Keiner der acht Vorsitzenden der in den letzten Jahren oft zerstrittenen Koalitionsparteien ergriff das Wort. Stattdessen eröffneten unbekannte – und unverbrauchte – Gesichter die Veranstaltung. Der Bürgermeister der Kleinstadt Lodi etwa nahm den in seiner Kommune geführten Kampf um die Errichtung einer Moschee zum Anlass eines leidenschaftlichen Appells gegen die rassistischen Strömungen in der italienischen Rechten.

Amato oblag dann die schwierige Übung, den Mantel der Harmonie über die Tatsache zu breiten, dass die Koalition seit 1996 drei Ministerpräsidenten verschlissen hat und nun zu einem vierten Kandidaten greift. Wie beim Staffellauf sei das, erklärte er in seiner Rede, einer habe dem anderen den Stab weitergereicht: „Wir bleiben Teil der Mannschaft, dein Sieg, Francesco, wird unser Sieg sein.“ Ein Sieg, den Mitte-links auch angesichts der positiven Regierungsbilanz erringen könne: Sanierung des Staatshaushaltes, Beitritt zum Euro, Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen, neuer Wirtschaftsaufschwung und schließlich die Haushaltsvorlage für das Jahr 2001 mit Steuersenkungen und Rentensteigerungen.

Der Haupt- und Schlussredner Francesco Rutelli musste dagegen der Basis seiner Koalition erklären, warum trotz positiver Resultate ein radikaler Schnitt nötig ist. Zeitweise klang Rutelli wie ein Oppositionspolitiker: Einen „Neubeginn“, die „Wiedergeburt des Ulivo“ forderte er, Schluss müsse sein mit dem Streit, den Zerwürfnissen, den Polemiken. Dem Bündnis stehe die „härteste Aufholjagd in der jüngeren Wahlgeschichte“ bevor.

Mit keinem Wort allerdings sprach der Kandidat das entscheidende Dilemma der Koalition an. Auch nur minimale Siegchancen kann sie sich erst ausrechnen, wenn es ihr gelingt, das separate Antreten von gleich drei Konkurrenten zu vermeiden: auf der Linken der Rifondazione Comunista, mit der es 1998 zum Bruch kam, in der politischen Mitte Antonio Di Pietro, der im April dieses Jahres die Koalition verließ, sowie der katholische Gewerkschafter Sergio D'Antoni, der jüngst eine eigene Gruppierung gründete. Zumindest gegenüber Rifondazione signalisierte Rutelli in Mailand mit seiner einzigen konkreten programmatischen Aussage Dialogbereitschaft: Er verlangte die Einführung eines gesellschaftlichen Mindestlohns für Arbeitslose und machte sich so eine alte kommunistische Forderung zu , das eigen. MICHAEL BRAUN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen