Sympathischer Fettlappen

Von wegen nur Kinder beim Mel C-Konzert: Vor der Bühne des ehemaligen Spice Girls tummeln sich die Erwachsenen  ■ Von Liv Heidbüchel

Mit Mitte zwanzig gehört man ja bei nicht wenigen Veranstaltungen schon zu den Ältesten. Geht man nun noch zu einem Konzert von Melanie C – ihres Zeichens Spice Girl – schwant einem so einiges. Etwa, dass man sich mit wildfremden, verständnisvollen Eltern kreischender Teens gepflegt ein Bierchen trinken sieht und alle anderen Anwesenden einen auch für ein Elternteil halten. Doch weit gefehlt: In der ausverkauften Großen Freiheit tummeln sich die Erwachsenen. Sollen das alles Eltern sein? Wo sind dann deren Kinder?

Nachdem sich die erste Verwirrung angesichts nicht erfüllter Erwartungen verflüchtigt hat, erkenne ich auch einen guten Teil, meist weiblicher Zwerge im Publikum. Doch kaum ist mein Weltbild geradegerückt, drängt sich erneut Verwunderung auf: Wo zum Henker sind die Banner, die dem Star ewige Liebe entgegenschreien? Zu leicht versteigt man sich in Erinnerungen, als Robbie Williams noch mit der Boygroup Take That abräumte. Nicht umsonst zieht vornehmlich die britische Presse gerne Parallelen zwischen ihm und dem ebenfalls abtrünnigen Spice Girl. Für Mel C, deren Solokarriere sich seit ihrem Album „Northern Star“ äußerst erfolgreich anlässt, strecken sich jedoch nur vereinzelte Leuchtstäbe vom letzten Alstervergnügen in die Luft. Weit und breit kein einzigens schriftliches „I love you“. Dabei gäbe es am Eingang die schnelle Improvisation schon für 15 Mark: einen Becher mit gleichlautender Aufschrift.

So etwas wie Liebe fühlen allerdings alle. Von dem Zeitpunkt als das Sporty Spice die Bühne stürmt, sieht man nur glückselige, entspannte Gesichter. Grund dafür ist zum einen die Dankbarkeit, dass ein Mitglied der berühmtesten Girl-Combo überhaupt so nah zu haben ist. Zum anderen freut man sich über Mel Cs Kollegialität in Sachen Menschlichkeit. Kein Zweifel: Unter ihrem Knackwursttop sehen wir Speckaufsätze an Bauch und Hüften über den Levis-Bund lappen. Die Frau ist sympathisch.

Außerdem weiß sie ihr Publikum zu dirigieren. Hingerissen schwingen Alt und Jung die Arme im Halbkreis über dem Kopf, während Mel C diese Bewegung soweit ausfeilt, bis man sich errötend an die Ausdruckstanzinspirierten erinnert, für die man sich in der Disco immer schämt. Doch die verblüffend vielseitige Sängerin kann auch anders. Bevor sich ihr Set dem Ende neigt, ist es nochmal „time to rrrrrrrock“, inklusive Headbanging und Beckenstoß am Mikroständer. Und das ist eigentlich die größte Überraschung des Abends: Irgendwie muss man dem Energieball diese Posen einfach abkaufen.

Bei der einzigen Zugabe, dem Chartbreaker „Turn to you“, gibt es dann nochmal Techno, der endlich auch die fünfköpfige Band auftaut. Das Publikum geriert sich wie auf der Loveparade und entschwebt dem Konzert nach 80 Minuten mit der Fantasie, Mel C bald im Duett mit Scooter erleben zu dürfen.