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Menschenjagd in Abidjan

In der Elfenbeinküste gehen Anhänger des frisch gewählten Präsidenten Laurent Gbagbo gewaltsam gegen Muslime und „Ausländer“ vor. Forderungen nach Neuwahlen

BERLIN taz ■ Nach dem Sturz des Militärregimes von General Robert Guei versinkt die Elfenbeinküste in Gewalt. Ermutigt von ihrem erfolgreichen Aufstand vom Mittwoch ziehen jetzt die Anhänger des neu gewählten Präsidenten Laurent Gbagbo von der sozialistischen „Ivoirischen Volksfront“ (FPI) gegen ihre politischen Gegner. Ihre Hauptfeinde sind die Anhänger des von der Wahl am Sonntag ausgeschlossenen Alassane Ouattara von der liberalen „Sammlung der Republikaner“ (RDR), die Neuwahlen unter Beteiligung Ouattaras fordern. Die Gewalt hat rassistische und religiöse Untertöne. Denn die RDR unterstützt Muslime aus dem Norden des Landes. Die FPI hat dagegen ihre Hochburgen im Südwesten und hält viele Bewohner des Nordens für Ausländer, die in der Elfenbeinküste nichts zu suchen hätten.

Nachdem RDR-Anhänger gestern früh in der Handelsmetropole Abidjan auf die Straße gingen und Neuwahlen verlangten, kam es zu Übergriffen organisierter FPI-Anhänger im Bündnis mit der Polizei. Mit weiß bemalten Gesichtern, Macheten und ausländerfeindlichen Parolen griffen FPI-Stoßtrupps Moscheen an und versuchten, die von Wächtern geschützte Residenz des RDR-Führers Ouattara zu stürmen.

Bei den Zusammenstöen wurden bis gestern Abend 38 Menschen getötet. Das sagten Zeugen der Nachrichtenagentur AFP. Der Präsident des „Nationalen Islamischen Rates“ (CNI), Idriss Koudous, forderte Frankreichs Botschafter auf, Gbagbo dazu zu bewegen, von seinen Anhängern ein Ende der Gewalt zu verlangen. Ouattara flüchtete sich in die Residenz der deutschen Botschafterin, die neben seinem Haus liegt. Einige seiner Parteigänger griffen aus Rache christliche Kirchen an.

Die RDR hält Gbagbos Wahlsieg für undemokratisch, weil Gueis Militärregime 14 von 19 Kandidaten hatte ausschließen lassen, darunter neben der FPI die der zwei anderen großen Parteien des Landes. „Wir verlangen Neuwahlen unter Beteiligung aller Kandidaten“, sagte RDR-Sprecher Ali Coulibaly gestern. Die USA, Südafrika und die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) unterstützen diese Forderung, während Frankreich Gbagbos Sieg anerkennt.

Dem Wahlergebnis zufolge, das gestern von der Wahlkommission vorgelegt wurde, siegte Gbagbo bei geringer Wahlbeteiligung mit 59,36 Prozent der Stimmen gegen 32,72 Prozent für den inzwischen gestürzten Juntachef Robert Guei. Über dessen Schicksal gibt es keine gesicherten Informationen. DOMINIC JOHNSON

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