: Darf man über Schröder & Co lachen?
Was darf politische Satire? Eine Diskussion mit Klaus Staeck, Martin Sonneborn von „Titanic“ und Bascha Mika, taz – Regie: Ralf Sotscheck (Irland)
aus Heidelberg SYLVIA MEISE
Die taz will ihre Krise überleben; also geht sie raus aus Berlin und ran an die Öffentlichkeit. Jammern hilft nicht, also heißt das Motto der „taz muss sein.“-Veranstaltung: Satire. Nicht etwa, weil Krise lustig wäre, sondern weil positive Energie gebraucht wird. „Darf man über Gerhard Schröder und Joschka Fischer lachen?“ Oder: Was darf politische Satire? Was kann politische Kunst?
Fern aller Burschenschaftsromantik von „historischer Seppl“ bis „goldener Ochse“ hat die taz-Genossenschaft in Heidelberg einen schwarzbodig unverkrampften Studentensaal gemietet. Und ist glücklich über restlos besetzte 120 Stühle und darüber, dass mit Lust und Schärfe diskutiert wird. Das Publikum holt sich Lachfalten en masse an diesem Abend.
Existenzbedrohung heißt immer auch: Auspacken. Nicht nur Zahlen, auch Persönliches kommt auf den Tisch. Und man wird beobachtet von Wirtschaftsprüfern oder Lesern. Dienstagabend sehen sie neben Sonneborns Mikro: eine Zitrone, Weißbier, Hustenbonbons, Wasser und Taschentücher. Schade, der hübsche Leopardenschirm blieb in seiner Pennälermappe. Die andern wappnen sich mit Wasser und dekorieren spärlich Federhalter, Ascher oder ein Aufnahmegerät dazu.
Ums Lachendürfen gehe es bei Personen des öffentlichen Lebens nicht. „Die müssen das Aushalten“, findet Bascha Mika gnadenlos. Sonneborn assistiert: Wer erst als Medienkanzler auftrete, dann aber bei so was wie „Peepshow“ kneife, oder „Wer öffentlich abmagert und dann Bücher darüber schreibt“ – fordere das Lachen doch geradezu heraus. Dagegen hält Plakatkünstler Staeck: „Kann man, muss man darüber lachen?“
Wer die Kanzlergummipuppe nicht witzig fand, fragt sich vielleicht, warum wird nicht der Regierung mit inhaltlichen Sottisen gezeigt, was Harken sind? Anlass gäbe es genug – „mehr als ich befürchet habe“, bedauert Staeck, seit 1960 Mitglied in SPD und Krankenkasse (nur um sie zu retten, so wie heute die taz, sagt er). Traut sich niemand oder haben die ehemaligen Regierungskritiker sich an „Birne“ verausgabt?
Was ist deutscher Humor? – Gibt’s nicht, glauben die Briten. Sotscheck berichtet vom Orden „for the brown nose“ – für Arschkriecher – und von englischen Sendungen, über die zu beschweren sich kein Politiker die Blöße geben wolle. Es gebe Grenzen des schlechten Geschmacks, findet Staeck, und viele Möglichkeiten, sich von geliebten Vorurteilen zu verabschieden. Ex-taz-Wahrheitredakteurin Barbara Häusler im Publikum gibt Interna preis: Niemals Opfer. Aber Fakes von weinenden Madonnen – warum nicht? Manchmal müsse man Reflexe der Leser abrufen, sagt sie und berichtet von geradezu voraussehbaren Leserbrieffluten.
Mika stöhnt, viele Witze seien zu billig. Unter dem Etikett des Tabubruchs werde vielfach nur Mehrheitsmeinung bestätigt. Es koste nichts, sich (über weinende Madonnas beispielsweise) lustig zu machen. Mika setzt die Grenzen bei Randgruppen. Punkte, für die ein Mensch nichts kann, solle man nicht angreifen. „Tabus? Für uns nicht!“, antwortet ohne Zögern der jugendlich-glatte Titanic-Chef mit dem korrekten Haarschnitt. Pokerface aufgesetzt, fragt der ehemalige Priesterschulenzögling fröhlich: „Warum Randgruppen ausgrenzen?“ Warum keine Witze über Behinderte, oder Linke? Letztere seien keine Randgruppe, bremst jemand aus dem Publikum, ein anderer fragt: „Judenwitze auch?“ Durchschnaufen. – „Schwierig“, lautet die wohl ehrliche Antwort. Auch das endgültige Satiremagazin will keinen Beifall von rechts.
„Sind wir Regierungszeitung, wie die andern sagen?“, bohrt Irlandkorrespondent Sotscheck, mit Beißhemmung gegen RotGrün? „Regierungszeitung könnt ihr gar nicht sein, diese Position hat schon die Bild“, rettet der Plakatbildner die Ehre der taz. Und redet von Geld. Davon rede er gern, grinst er und empfiehlt seinen Steuerberater: „Meine Bilanzen sind alle in Ordnung.“ Staecks Grundsatz: Es muss sich verkaufen. In der Vernachlässigung dieser Prämisse liege die Crux vieler linker Projekte.
Sein Problem: Für welche Zielgruppe soll er Plakate gegen die SPD machen? Für die CDU? Verkauf hin, Geld her – das dann doch nicht. „Aus finanziellen Gründen muss ich Dinge aufgreifen, die länger wirken“, wie etwa das Plakat mit Dürers Mutter: „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“
Es geht um mehr. Etwa um rot-grüne „Familienbande“. Nicht für Sonneborn, der sich über alles lustig machen will – mit Erfolg: „Uns geht’s gut.“ Wenn er schweigt, sprechen Mika und Staeck von Befindlichkeiten und Verantwortung. Beißhemmung? Eigentlich nicht, versucht die taz-Chefin: „Wir sind immer schlecht, wenn wir Beißhemmungen haben.“ Andererseits habe man lange Jahre dieselben Gesellschaftsentwürfe vertreten.
Staeck gibt offen zu: „Das Parteibuch spielt eine Rolle.“ Wie in der Familie, da drücke man ja auch ein Auge zu. Ach, „Birne“, da werden alle sentimental. „So eine Type wie den Herrn Kohl gibt es bei der SPD nicht“, konstatiert Staeck. Schröders aalige Unangreifbarkeit verhindert vieles im Keim: „Wir haben noch nicht mal einen Spitznamen für ihn“, wundert sich Sonneborn.
Wer hat eigentlich Rot-Grün richtig angegriffen?, stichelt Sotscheck. Etwa beim Balkankrieg? Mitnichten nur Titanic mit ihrem Titel „Ich habe einen MiloseWitz“. Wir!, erinnert Mika. Aber bei der Titanic habe Fischer einen „Leichenkeller“ gehabt, ergänzt Sotscheck, und „einen Balkangrill mit Fernbedienung“.
Es geht auch um die Leser der taz an diesem Abend. Laut Umfrage gibt es zwei Lager: das politische, das seine Lektüre beim Titel, und das wahre, das mit der „Wahrheit“ beginnt. Satire muss man nicht suchen: Schlagzeilen wie „Grünes Patent auf Umkippen“, zitiert Klaus Staeck. Er gehört zu den Politischen und tituliert Wahrheitschreiber Wiglaf Droste als „Kotzbrocken“, wofür er Beifall erntet. Pure Wahrheit. „Die Seite“, bekennt Mika, „kostet mich graue Haare“ (auch wenn sie alle rot sind). Immer wieder sei auszudiskutieren, wo ihre Grenzen liegen. Am Ende fragt Staeck: „Spaß gehabt?“ Und versichert, er habe auch seinen Spaß, „sonst ist man ja ganz out“.
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