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Kommissarin will eine Frau sein, die zuschlagen kann

Cross females: Die Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts diskutiert mit der transsexuellen Michaela Lindner über Frauenrollen, Sex und Gender

Braucht es einen Penis, um ein Mann zu sein? Ab welcher Körbchengröße lässt sich eine Frau eindeutig identifizieren? Was ist überhaupt weiblich? Mit der Suche nach dem klassischen Normgeschlecht endete am Sonntag Abend die Ausstellung „cross female“ im Künstlerhaus Bethanien. Zum Thema „transgender“ diskutierten unter anderem Schauspielerin Ulrike Folkerts und Exquellendorflerin Michaela Lindner.

Dem zahlreich erschienenen Publikum wurde das Idealbild der Weiblichkeit direkt vor Augen gehalten: An der Wand hinter dem Podium hingen „Zwei Körperhüllen“ aus hellem Leinenstoff mit schwarz aufgedruckten Idealmaßen. Die Brüste groß umkreist, an der Hüfte ein deutliches Minus. Richtig schlank soll sie also sein, die klassische Frau. Dem schloss sich auch Moderator Michael Adamczak an: Als er aber Ulrike Folkerts als sehr weiblich einstufte, ging ein empörtes Raunen durch die hinteren Fanreihen. Doch tatsächlich wirkte die harte Tatort-Kommissarin an diesem Oktoberabend sehr soft. Mit weiblich geschnittenem Pullover und enger Stretchhose gestand sie das Unglaubliche: „Ich könnte mich sehr gut in der Rolle der Mutter Beimer vorstellen“, sagte Folkerts ernsthaft. Ihr mache es immer wieder großen Spaß, die Mutterrolle zu spielen.

Im gleichen Atemzug nahm sie vielen ihrer weiblichen Fans auch jegliche Hoffnung: „Ich weiß, dass viele Lesben die Lena Odenthal endlich lesbisch sehen wollen; sie wird es nie werden“.

Wenigstens habe sie sich gegen das Weibchenbild der Polizistin erfolgreich wehren können, sagte sie. Ursprünglich mit Pelzmantel, rosa Schal und Rock bekleidet, trägt Lena Odenthal nun Lederjacke und Jeans. „Ich wünsche mir auch oft von den Regisseuren, dass sie mir ein paar Prügelszenen schreiben“, so die Schauspielerin, „Lena soll eine Frau sein, die zurückschlagen kann.“ Dennoch werde sie in Zeitungskritiken immer noch als „androgyn bis geschlechtslos“ beschrieben, berichtete Folkerts amüsiert. Privat sei die 39-Jährige das jedoch überhaupt nicht: „Ich bin glücklicherweise im richtigen Körper geboren.“ Und der ist, wie man unschwer sehen kann, eindeutig weiblich.

Bei Michaela Lindner ist dies nach wie vor nicht so einfach. Der Personalausweis sagt: Frau, während im Reisepass noch das M für männlich steht. Dies scheint auch nötig, um die Wirren ihrer Scheidung im Zaum zu halten. Denn als Michaela Lindner kann sie nicht rechtskräftig von ihrer Exfrau Jutta Lindner geschieden werden – eine Homo-Ehe gibt es in Deutschland schließlich noch nicht.

Vielleicht ist die PDS-Politikerin Lindner ja auch gar nicht weiblich, sondern eher ein „Zwischenwesen“, wie sie sagte. Transgender eben. Dass die 40-jährige Transidente für die Öffentlichkeit wieder zuordenbar ist, mache sie aber eher unglücklich. Hat das biblische Adam-und Eva-Modell nun endlich ausgedient? „Ohne die eindeutigen Schubladen Mann und Frau sind wir verloren“, erläuterte jedoch die Rechtswissenschaftlerin Susanne Bear, „Klischees geben Sicherheit und Orientierung.“ Dies sei besonders in der juristischen Diskussion um das Thema Transgender nötig.

Die Richter haben dabei einige delikate Fragen zu klären: Spätestens bei der Frage der Kostenübernahme einer Geschlechtsumwandlung muss das Gericht über deren Notwendigkeit entscheiden. Ist ein Penis wirklich nötig, um sich als Mann zu fühlen? Wie groß muss der Busen im Vergleich zur Schulterbreite sein, um als Frau erkannt zu werden? Da es dafür noch keine gesetzlichen Richtlinien gibt, läge diese Entscheidung im Ermessen des jeweiligen Richters. Und dieser orientiere sich dabei oft ganz praktisch an den handelsüblichen BH-Größen, so Bear weiter. Ob nun A oder Doppel-D, alle Körbchen seien Ausdruck von Weiblichkeit. Bear: „Deshalb gibt es keine Kostenübernahme bei großen Wünschen.“ Das heißt maximal Größe B. Auch den Luxus des weiblichen Lustempfindens muss frau aus eigener Tasche zahlen. „Die Krankenkassen haben geklagt“, berichtete Michaela Lindner aus eigener Erfahrung. Die Ansicht der Kassen: eine Klitoris gehöre zum Frausein nicht unbedingt dazu. KATRIN CHOLOTTA

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