: Frauenpower für São Paulo
Marta Suplicy, neue Bürgermeisterin der brasilianischen Metropole, ist eine echte Hoffnungsträgerin
„Zusammen werden wir São Paulo wieder aufbauen“, rief Marta Suplicy am Sonntagabend den jubelnden AnhängerInnen der Arbeiterpartei zu. Nach einem monatelangen Wahlkampf, der bisweilen zu einer Schlammschlacht ausartete, errang sie mit 58,5 Prozent der Stimmen den bisher wichtigsten Sieg für die PT in einer Kommunalwahl.
Immer wieder wurde ihr vorgehalten, sie verfüge über keinerlei Verwaltungserfahrung für die schwierige Aufgabe. Ihr politisches Wirken konzentrierte sich bisher auf liberale Gesetzesentwürfe im Bundesparlament, etwa zur Regelung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Ihr Eintreten für den Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen ist im konservativen Brasilien nicht unumstritten.
Innerhalb der PT galt Marta Suplicy lange als Paradiesvogel. „Marta ist der Typ von Frau, den sich ein Landarbeiter wünscht: reich, hübsch, und sie weiß alles über Sex“, sagte ein Gewerkschaftsboss über sie. Der Weitsicht des mehrfachen PT-Präsidentschaftskandidaten Ignácio „Lula“ da Silva ist es zu verdanken, dass Suplicy auch in den eigenen Reihen ernst genommen wurde: An der Parteibasis vorbei brachte er sie 1997 als Kandidatin für den Gouverneursposten in São Paulo ins Spiel. Dass sie neben Sachkenntnis und Überzeugungen auch Führungsqualitäten und taktisches Geschick mitbringt, zeigte sie bereits während des Wahlkampfs. Für ihr Vorhaben, die von Korruption und Misswirtschaft gebeutelte Metropole wieder auf Vordermann zu bringen, konnte sie Unterstützung bis weit ins bürgerliche Lager mobilisieren.
Ihr gradliniger und sachbezogener Diskurs trug ebenso wie ihre Herkunft aus der Oberschicht São Paulos dazu bei, tiefsitzende Ängste vor der Arbeiterpartei abzubauen. Marta Suplicy, die keiner der zahlreichen PT-Strömungen angehört, verkörpert wie keine Zweite den neuen Pragmatismus der brasilianischen Linken.
Suplicy weiß, dass sie für eine erfolgreiche Amtsführung auf eine gute Zusammenarbeit mit der Landes- und Bundesregierung angewiesen ist. Ebenso setzt sie auf die Kooperation mit dem Unternehmerlager und dem Finanzkapital. So ist wohl auch der „moderne Sozialismus“ zu verstehen, den sie in der Wahlnacht ankündigte.
Selbstbewusst hat Marta Suplicy bereits Ambitionen auf das höchste Amt im Staate Brasilien angemeldet. „Jeder Politiker, der in São Paulo gewinnt, denkt daran, irgendwann einmal Präsident zu werden“, bekennt sie. Als Präsidentschaftskandidatin könne sie frühestens im Jahr 2006 antreten. GERHARD DILGER
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