: Rechte stürmen Privatwohnungen
Zwanzig Neonazis haben eine Wohngemeinschaft im brandenburgischen Finsterwalde überfallen. Sie waren äußerst brutal und gut organisiert. In Hannover konnte eine türkische Familie rechte Eindringlinge dagegen erfolgreich abwehren
von RALF GEISSLER
Sie kamen mit Äxten und Baseballschlägern und zertrümmerten die gesamte Wohnungseinrichtung. Etwa zwanzig rechte Schläger haben in der Nacht zum Samstag eine linke Wohngemeinschaft in Finsterwalde überfallen. Zwei der Bewohner waren gerade aus der Kneipe zurückgekehrt, als durch alle zehn Fenster im Erdgeschoss gleichzeitig Plastersteine flogen und die Täter in das Haus eindrangen. Die Überfallenen konnten sich in einem Zimmer verbarrikadieren und über Handy die Polizei rufen. Sie blieben unverletzt. Als die Polizei eintraf, waren die Täter geflohen.
„Diese Qualität von Gewalt haben wir hier noch nie erlebt“, sorgte sich gestern der Finsterwalder Bürgermeister Johannes Wohmann (FDP). Er vermutet „organisierte Kräfte“ hinter dem Anschlag. „Diese Szene ist sehr mobil, gesteuert und wird finanziert.“ Nur wenige Kilometer von Finsterwalde entfernt liegt die Gemeinde Massen. „Dort, in der Gaststätte ,Zur Linde‘, haben sich die Schläger am Abend vor dem Überfall getroffen und alles geplant“, erzählt der Pressesprecher der Polizei in Cottbus. Das Lokal sei ein bekannter Treffpunkt von Rechtsextremen der Umgebung – eine Absteige, in der Skinheads auch schon ihre Konzerte abgehalten hätten. Die Geschäftsführerin des Lokals, Christa Kaleta, gibt sich ahnungslos. Man habe zwar gelegentlich rechte Jugendliche hier, und auch die Anhänger der DVU seien früher gern bei ihr eingekehrt. „Aber in der Nacht zum Samstag hatten wir hier einen siebzigsten Geburtstag – da war keiner von denen da“, versichert sie. Acht Tatverdächtige konnte die Polizei bis gestern Nachmittag festnehmen. Vier von ihnen sind wegen Tragens verfassungsfeindlicher Symbole und Schlägereien der Polizei bereits bekannt. Ihr Tatmotiv ist noch unklar. Einer der Verdächtigen habe ausgesagt, der Überfall war ein Racheakt. „Im Gegensatz zu den Angreifern sind die Opfer aber noch nie polizeilich in Erscheinung getreten“, wundert sich der Polizeisprecher. Sie seien „normale Jugendliche“.
Gegen zwei der acht Festgenommenen hat das Amtsgericht Bad Liebenwerda einen Haftbefehl wegen schweren Landfriedensbruchs, versuchter schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung erlassen. Trotzdem sind die Täter unter Auflagen wieder frei. „Da sie jünger sind als 21 Jahre, ist das Gericht gehalten, alles zu tun, um eine Haft zu vermeiden“, erklärt Petra Hertwig, Oberstaatsanwältin in Cottbus. Trotzdem habe sie Beschwerde gegen die Aussetzung der Haft eingereicht.
Auch in Hannover machten am Wochenende rechte Jugendliche nicht an der Haustür ihrer Opfer Halt. Neun junge Männer zwischen sechzehn und zwanzig Jahren versuchten, in der Nacht zum Sonntag gewaltsam in das Haus einer türkischen Familie einzudringen. Der Hauseigentümer habe sofort Hilfe geholt und sich mit Bekannten erfolgreich zur Wehr gesetzt, teilte ein Sprecher des Zentralen Kriminaldienstes Uelzen am Montag mit. Fünf Täter wurden festgehalten und der Polizei übergeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen