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Hallo, hier spricht die Birgit

■ 1999 bekamen Christin Lahr und Ekkehard Altenburger den Videokunstförderpreis. Jetzt zeigt die Kunsthalle die Realisierung

Der Museumsbesucher in Standardausführung: Manche meinen, er sei ebenso flüchtig wie oberflächlich – und kaum sieht er eine Videoleinwand, erwartet er, dass es Peng macht und ihm knufflige Bildchen um den Schädel flitzen. Klar ist es da eine Frage der Ehre, dass sich der dazugehörige Künstler künstlersatzungsgemäß ,verweigert', Motto: Ätsch, du doofer Museumsbesucher, reingelegt.

Also lockt uns die Berlinerin Christin Lahr, die 1999 mit dem 8. Bremer Videokunst-Förderpreis (10.000 Mark) ausgezeichnet wurde und die Realisierung ihrer Arbeit jetzt in der Kunsthalle zeigt, mit einem Guckloch. Dumm wie Pawlows Reflex-Hund gucken wir hinein – und sehen nichts als gähnendes Nichts. ,Durchbrechen von Seherwartungen' nennt das der phrasenkundige Kunstwissenschaftler – und aus irgendeinem unerfindlichen Grund sind manche KünstlerInnen wahnsinnig stolz, wenn ihnen solch schaler Pillepalleeffekt gelingt – als würde das schon die Welt weiterbringen.

Irgendwann kapiert man dann vielleicht, dass in Lahrs Loch eine Kamera ist, welche die Visage des Guckers auf eine Leinwand projiziert und in die unergründlichen Weiten des Internet zur Adresse www.kunsthalle-bremen.de/christin-lahr spült. Falls gerade ein Internetbesucher auf dieser Seite vorbeischaut, kann er dem Kunsthallenbesucher Sätze mitteilen, die durch einen Sprachsynthesizer in der Kunsthalle zu hören sind. Aber was sagt man schon zu einer stummen Visage? Vielleicht „Drück mal Deine widerlichen Pickel aus“ oder „Hallo, ich heiße Birgit, bin 22 Jahre alt und meine Telefonnummer ist ...“ oder „Erdnüsse sind Quantenumwandlungen von Hirschschwänzen“. Schlimmstenfalls kann der Kunsthallenbesucher dann dem Internetjuchzer die Zunge zeigen, bähh. Sagen oder aufschreiben kann er aber nichts.

Wie beim Chatten werden die Wortbeiträge (so es überhaupt welche geben sollte) wohl entweder Hallo-Unverbindlichkeiten oder die üblichen Dada-Witzeleien sein. Im Unterschied zum Chatten kann aber kein Gespräch zustande kommen. Kommunikation kollabiert. Was aber ist die Botschaft dieser boah-hey-„interaktiven Online-Videoinstallation“? Dass Internet-Kommunikation doch nicht immer so das Pralle bringt? Ach ne, hätten wa ja nich gedacht. Oder dass manche KünstlerInnen offensichtlich die Kunstrezipienten für hirnlose Idioten halten, die froh sein müssen, wenn ihnen jemand ein Enttäuschungserlebnis gönnt? Oder dass vieles von der hippen Internet-Kunst genauso öde ist, wie das Medium nicht selten selbst?

Den zweiten Preis (3.000 Mark) erhielt 1999 Ekkehard Altenburger. Er entdeckte im Videospiel „Lara Croft/Toomb Raider II“ ein Bild des berühmten englischen Pferdemalers George Stubbs über dem Kamin von Laras Landsitz: Lara marschiert mit macho-breiter Arm- und Beinstellung durch den Villeneingang auf das Bild zu, hüpft davor herum, als suche sie nach einem Geheimeingang zu mythischen Welten, und tritt ab. Just jene Sequenz stellt Altenburger in der Tate Galery vor dem echten Stubbs-Gemälde nach. Nur: Sein Gang schmeckt nicht nach Abenteuer und Geheimnis, und das berühmte Museum wirkt eher piefig gegenüber dem virtuellen Szenario. Diese Parallelisierung lässt den Besucher nachdenken – über die unterschiedliche Wirkung von Kunst in der imaginären Welt und im leibhaftigen stickigen Museumsraum, über die Übernahme von hoher Kunst in die Trashkultur ... – jeder wie er will. Im Unterschied zu Lahrs Arbeit macht jedenfalls das Hingucken und Vergleichen schon mal Spaß.

Gestern Abend wurden in der Kunsthalle die beiden Preisträger 2000 vorgestellt. Sie heißen Neringa Naujokaite und Rani Marius Le Prince. Noch existieren ihre Arbeiten nur als Konzept. Nächstes Jahr – same time, same place – werden sie präsentiert, zusammen mit den Namen der Preisträger 2001. bk

Kunsthalle, 3. Stock, bis 26.11.

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