: Reifere Entschleunigung
Melancholie von damals, Magie von heute: Die Go-Betweens sind mit neuer Platte auf Tournee
von ANDREAS BECKER
Als die Go-Betweens auf die Bühne kommen, bedankt sich Robert Forster, dass wir bei diesem „Hurricane“ überhaupt aus dem Haus gegangen sind. Mann, früher wären wir für die Go-Bes durch halb Deutschland getrampt, jetzt soll uns ein Sturm abhalten? Ausverkauft ist die kleine Columbiahalle allerdings nicht. Sind ja auch schon ein paar Tage vorbei, diese merkwürdig melancholischen Achtziger. 1988, rund zehn Jahre nach Gründung, löste sich die australische Band auf. Mit ihrem letzten Album, „16 Lovers Lane“ hatten sie für ihre Verhältnisse schon relativ starke Zugeständnisse an Verkäuflichkeit gewagt. Das konnte damals noch dazu führen, dass „richtige“ Fans sich angewidert vom Kommerz abwandten. Vorher hatten sie es immerhin geschafft, dauernd bei Labels zu landen, die kurz vor der Schließung standen. Das passte uns gut – wer (wie ich) mit Misserfolgsgarantie Germanistik studierte, wollte doch nicht von Vorbild-Losern überholt werden. Dann reichte es bei der Band aber doch nur zu einem Radiogassenhauer („Streets Of Your Town“), und es war Schluss. Da hätten wir sie dann lieber doch in den Charts gesehen.
Grant McLennon und Robert Forster machten weiter mit Soloprojekten und trafen sich 1997 zu einer zaghaften Minitour als Go-Betweens ohne neue Platte und Perspektive. Der Zauber war verschwunden. Die Magie der Band futsch. Jetzt sind die beiden wieder zusammen, doch es fehlen leider die damals sehr wichtigen Ladies Amanda Brown und die Schlagzeugerin Lindy Morrison. Das erste Stück auf ihrer neuen Platte heißt „Magic In Here“. Und die Magie ist, ohne Ironie oder Alterserscheinungen, fast unversehrt zurückgekehrt. Merkwürdig. Wieder singen die Jungs so Sachen wie „Time To Believe In“ in Titeln mit obskuren Namen wie „Orpheus Beach“ – und es klingt supertoll und locker. Aber, wo ist denn dann die Zeit geblieben? Kann mensch ein komplettes Jahrzehnt überspringen, ohne dass danach was anders ist?
Bei den alten Stücken überkommt einen dann doch ein etwas schauriger Flashback. „Right Here, Right Now“ spielen sie, ja sind wir denn immer noch genauso bereit wie mit 25? Dann „Head Full Of Steam“ und das vage Gefühl, in der langen Zeit einiges an Energie und Druck aus dem Hirn verschleudert zu haben. Die Melancholie von damals ist nicht die Melancholie von heute. Wer schaut schon gern zurück? Immerhin hieß ihre Plattenfirma damals Rebel Records. Heute steht ein Fernsehteam auf der Bühne. Nicht von Viva oder MTV, vom schnarchigen ZDF-Frühstücksfernsehen. Robert kündigt es freundlich an, er kennt die Sendung. Der Australier wohnt mit seiner Freundin in der Nähe von Regensburg. In solche Ecken also führt einen das Leben – „Streets Of Your Town“ gibt's eben überall. Heute Abend widmen sie das Stück einem Taxifahrer, das „Arschloch“ (Grant) hatte sie über weite Umwege zum Soundcheck chauffiert. Während sie da so auf der Bühne rumhantieren, vermissen wir schmerzlich die Geige und die Oboe von Amanda Brown. Am Bass dagegen eine Adele Pickvance, die immer ein wenig zu hoch schubiduah vocalt.
Wahrscheinlich weil ich mittags auf einem stillgelegten Eisenbahngleis rumspaziert bin, erinnern mich die Go-Betweens heute Abend an den Bremsmechanismus von Eisenbahnen. An Stellen, wo häufig gehalten wird, liegt Sand auf den Schienen. Den werfen die Loks zur Entschleunigung selbst aufs Gleis. Ich denke an Dampfloks, und das T-Shirt, das die Band verkaufen lässt, ziert denn auch ein anderes altertümliches Fortbewegungsmittel: eine Pferdekutsche. Langsam geht’s voran bei den Go-Betweens, wahrscheinlich ist das den großen oder kleinen Themen gar nicht abträglich. Als ich sie einmal, wahrscheinlich 88, völlig nervös im Quartier Latin interviewte, sagten sie, all ihre Songs handelten von der Liebe. So einfach sei das. Bei der weiß man ja mitunter auch nicht, ob der Zug, in dem man sitzt, gerade fährt oder ob das wieder nur eine optische Täuschung ist. Schön ist es auf alle Fälle.
Neue Platte: „The Friends Of Rachel Worth“, Clearspot/Efa. Tourdates: 1. 11. Frankfurt, 5. 11. Köln, 6. 11. Karlsruhe, 7. 11. München, 9. 11. Genf
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