die stimme der kritik
: Betr.: Peinliche Lieblingswörter

Im Märchen-Wortschutzgebiet

Eines meiner All-time-favourite-Lieblingswörter ist das Wort „eigentlich“. Denn eigentlich kann man mit eigentlich nur wunderschöne Sätze beginnen, noch schönere als mit „Es war einmal“: „Eigentlich wollte ich heute nichts trinken ...“ Die glasklare Implizierung: „... aber überrede mich doch bitte!!“ Deutlicher war der Inhalt zwischen den Zeilen noch nie zu lesen. Vergleichen wir es mit „Es war einmal eine Prinzessin, die wollte nichts trinken“. Was klingt aufregender, menschlicher? Genau. Oder „Eigentlich hatte ich gar keinen Hunger mehr ...“ um von einem leckeren Essen zu erzählen, bei dem man hinterher aus dem Restaurant gekugelt kam. Oder „Eigentlich wollte ich zu Hause bleiben und arbeiten ...“

Auf das Wort „eigentlich“ sind Fremdsprachler richtig neidisch, denn es gibt eigentlich keine richtige Übersetzung dafür. Harry Rowohlt, bzw. Lause-Harry, der bärtige Mann mit dem Winnie-the-Pooh-Tick behauptet zwar in einem seiner amüsanten Kurzgeschichten-Bücher, er habe einmal ein US-amerikanisches Ehepaar erlebt, die in einem Satz 17 Mal „actually“ gesagt hätten, also etwa „Actually we actually like actually actually this actually thing actually a lot actually“. Und mit etwas Fantasie geht nicht nur alles so wie nie, sondern lässt sich auch „actually“ frei von der Leber weg mit „eigentlich“ übersetzen.

Eigentlich (ha!) sollte dieser kleine Text aber von etwas anderem handeln. Nämlich von der neuen CD-ROM „Der Froschkönig“, die nach „Rumpelstilzchen“ und dem „Tapferen Schneiderlein“ die dritte CD-Rom in der „Simsala-Grimm“-Reihe irgendeines Verlags ist. Die beiden interessanten Figuren Yoyo und Doc Croc sollen übrigens auch mitspielen, sagt der Verlag des Weiteren.

Nur: Wer sind die denn eigentlich? Im Märchen tauchen sie nicht auf. Da gibt es nur „Heinrich, der Wagen bricht“, es gibt natürlich den kusswütigen Frosch, die Prinzessin und vielleicht noch ein paar unwesentliche Bedienstete. Aber Yoyo und Doc Croc? Keine Spur. Klingen zudem wie DJ-Namen: DJ Yoyo und MC Doc Croc. Die rocken das Haus mit den fettesten Beats, die Prinzessin ist die Schönste hier im Kiez ... Genug. Rappen sollte nur, wer auch rappen kann.

Zurück zum Eigentlichen: „Eigentlich“ ist eines der Wörter, das radikal aus dem Wortschatz eines jeden Politikers gestrichen wird. Ein Grund mehr, es kräftig zu benutzen, damit es nicht gestorben ist, sondern noch heute lebt. JENNI ZYLKA