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Der Großfluchhafen

Ewige Pirouetten in Schönefeld: Jetzt sollen die zwei Konkurrenten den Großflughafen gemeinsam bauen. Dagegen gibt es rechtliche Bedenken

von RICHARD ROTHER

Ein unsaubere, dialektgefärbte Aussprache bringt manchmal die Dinge auf den Punkt: Großfluchhafen Berlin-Schönefeld, im Politikerjargon auch BBI, Berlin Brandenburg International Airport, genannt. Das wichtigste Infrastrukturprojekt der Region – mehr als zehn Jahre nach der Wende steht noch längst nicht fest, ob und wann es gebaut wird. Geplant ist, den Flughafen in sieben Jahren in Betrieb zu nehmen – zum Winterflugplan 2007.

Doch daran glauben nur noch notorische Optimisten. Zu verworren, zu verstrickt sind die Probleme, die sich auch durch die politisch gewollte Privatisierung eines Flughafenbaus – bisher einmalig in Deutschland – ergeben haben. Erst am Mittwoch haben sich die Flughafenplaner zu einer Krisensitzung getroffen – ohne Ergebnis.

Noch ein „worst case“

Das Problem: Das Brandenburger Oberlandesgericht hat die ewige Pirouette erst vor wenigen Wochen ein Stück weitergedreht. Der Rausschmiss des Konsortiums um den Essener Baukonzern Hochtief aus dem Privatisierungsverfahren sei nicht haltbar, so die Richter. Gleichzeitig setzten sie den Beteiligten eine Frist: Bis zum 10. November muss eine andere Lösung her.

Diese dürfte den Flughafenplanern schwer fallen, müssten sie doch mit den ungeliebten Essenern zusammen arbeiten. Zur Erinnerung: Die zuständige Projektplanungsgesellschaft PPS hatte die Essener im Frühjahr aus dem Rennen um das lukrativen Acht-Milliarden-Projekt gejagt. Begründung: Eigene und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Betrugsverdachts hätten die Vertrauensgrundlage zerstört. Beobachter hatten immer wieder von Industriespionage gesprochen.

Das Gericht hat das Hochtief-Konsortium, das den Zuschlag bereits im April 1999 erhalten hatte, nun rehabilitiert. Für einen Beobachter der „worst case“. Denn damit ist das Verfahren erheblich zurückgeworfen worden. Kein Einzelfall in der schier endlosen Geschichte der Flughafen-Querelen. Im August letzten Jahres hatte nämlich das gleiche Gericht die Vergabe an das Hochtief-Konsortium für nichtig erklärt. Gegen diesen Zuschlag hatte das Konkurrenzkonsortium um die Bonner Immobiliengruppe IVG erfolgreich geklagt – die beiden Konkurrenten haben nicht nur juristisch bis zum Letzten gekämpft, sie haben jeweils auch gewonnen. Und sich damit gegenseitig blockiert.

Die Flughafenplaner stehen nun vor einem Scherbenhaufen: Sämtliche Privatisierungslösungen sind ihnen bisher vom Gericht um die Ohren gehauen worden. Ein Schicksal, das auch der jetzt diskutierten Alternative droht: einem Zusammengehen der beiden Konkurrenten. Einem solchen Zusammengehen stehen nämlich nicht nur persönliche Animositäten der Beteiligten und unterschiedliche technische Konzepte im Weg – vor allem wettbewerbsrechtlich ist ein solches Vorgehen höchst umstritten. Schließlich sollen sich in einem Vergabeverfahren die Bewerber gegenseitig Konkurrenz machen. Auch Nichtjuristen dürfte einleuchten, dass gemeinsame Absprachen diesem Geist des Vergaberechts widersprechen.

Bewerber, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt aus dem Verfahren ausgeschieden waren, könnten bei einem Hochtief-IVG-Agreement die Gerichte anrufen. Dass dies alles andere als unwahrscheinlich ist, zeigt das recht ungewöhnliche Vorgehen der Flughafenplaner: Sie treffen sich mit den Wettbewerbshütern des Bundeskartellamtes, um bereits im Vorfeld ein Okay einzuholen.

Problem mit Kartellamt

Das aber löst die Zwickmühle nicht: „Was vergaberechtlich sauber ist, ist kartellrechtlich verboten“, meinen Rechtsexperten. Die Folge wäre ein Rechtsstreit, der sich noch Jahre hinziehen kann. In Schönefeld würden dann 2007 höchstens (Akten-)Papierflieger, kaum aber Boeings und Airbusse landen. Zwar sind das bereits eingeleitete Planfeststellungsverfahren und das Privatisierungsverfahren zwei verschiedene Angelegenheiten – irgendwann sollte aber klar sein, wer den Flughafen errichtet.

Bliebe also nur – wie von der Opposition vehement gefordert –, einen „sauberen Schlussstrich“ zu ziehen und das Verfahren neu zu starten? Diese Version, die auch das Gericht ausdrücklich goutiert, hat Charme – allerdings nur theoretisch. Denn praktisch würde das den Flughafenbau auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Sämtliche Diskussionen würden in diesem Fall neu aufflammen: zum Beispiel die, ob der Standort Sperenberg oder Jüterborg nicht geeigneter wäre, ob nicht Tempelhof und Tegel offen gehalten werden könnten. Wahrscheinlich würde sogar die gerade beerdigte Transrapid-Anbindung des neuen Großflughafens ernsthaft diskutiert werden.

Dass die Verzögerungen nur der Konkurrenz nützen, ist ein offenes Geheimnis. Schließlich möchte der Großflughafen Schönefeld ein internationales Drehkreuz werden – alles andere würde die enormen Investitionen nicht rechtfertigen, da das Bevölkerungspotenzial in der Region zu gering ist. Die Konkurrenz in München und Frankfurt schläft aber nicht.

Ein weiteres Problem: Ein Drehkreuz macht wirtschaftlich nur Sinn, wenn ein 24-Stunden-Betrieb möglich ist. Dagegen klagen Anwohner – mit Chancen auf Erfolg. Selbst wenn sich die Planer durchsetzten, könnte das Gericht den Investoren teure Lärmschutzmaßnahmen an den Häusern der Betroffenen zur Auflage machen. Das wiederum würde die Finanzierung und damit – wegen neuer Verhandlungen – den Zeitplan des Flughafenbaus erneut in Frage stellen. Verzögert sich der Bau, braucht sich Berlin keine Hoffnung mehr auf das Drehkreuz zu machen.

Die PDS, ganz die Sachwalterin ostdeutscher Interessen, hat das erkannt: Sie will, dass sich Berlin „endgültig von den übertriebenen Prognoseerwartungen für einen Großflughafen mit Drehkreuzfunktion verabschiedet“. Stattdessen soll der Standort Halle/Leipzig gestärkt werden – durch eine „Kooperation“ mit dem künftigen Berliner Flughafen. Im Klartext: Wer von Berlin nach New York fliegen will, müsste zunächst mit dem Zug nach Leipzig, dann mit dem Flugzeug nach Paris, Amsterdam oder London, um einen Überseeflug zu kriegen. Hauptsache, Schönefeld bleiben die wichtigen Direktverbindungen: nach Havanna und Ulan-Bator.

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