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Basislager im besten Sinne

Hat sich die taz zu weit von der Basis entfernt? Nein, meint der langjährige taz-Autor Helmut Höge: Wirkt sie doch, trotz zentralistischer Tendenzen, ihrer eigenen Monopolisierung entgegen

von HELMUT HÖGE

Seit 1980 schreibe ich für die taz, obwohl ich anfänglich – vor und nach dem Tunix-Kongress – dagegen war. In Frankfurt – beim Informationsdienst ID und beim Pflasterstrand – waren wir eher für „dezentrale linke Medienprojekte“. Aber die taz garantierte dann, und tut das noch, ihrer eigenen Monopolisierung (des Diskurses – wie Alfred Biolek sagen würde) entgegenzuwirken. Obwohl sie zunächst unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigte, als sie ihre von unten entstandenen lokalen „taz-Initiativen“ von oben in Berlin durch Korrespondenten ersetzte, die sie dann auch noch reduzierte.

Damals gab es dort aber auch z. B. eine Schwulen-, eine Kinder- und eine Justizredaktion, später täglich einen Bericht aus dem Lesbenzelt des Anti-AKW-Camps in Mutlangen. Aus den Bürgerkriegszentren Beirut und Managua berichteten gleich in drei Fraktionen zerstrittene Korrespondenten-Teams. Auf diese Weise setzte sich – ungeachtet aller Transformationen von Bewegung in Parteien und Unternehmungen – immer wieder das durch, was J.-F. Lyotard als „Patchwork der Minderheiten“ bezeichnete. Bis heute, da Le Monde diplomatique und neuerdings perșembe beiliegen. Ich selbst war zuvor an den Beilagen „Betriebsräteinfo Ostwind“ und „Schülerzeitung Spätlese“ beteiligt gewesen. Und unsere „Russen-Beilage Neue proletarische Kunst“ scheiterte nur deswegen, weil Berlin- und Kulturredaktion die Texte des NPK-Redakteurs Wladimir Kaminer so schnell wegdruckten, dass nur noch einige wenige – schlechte – Beilagenbeiträge übrig blieben. Vorstellbar wäre darüber hinaus das IG-Medien-Sprachrohr als Beilage sowie die „Bio-Bäckerblume“.

Was bürgerliche Zeitungen das „Huckepackverfahren“ nennen, das in eine Art Mantelzeitung gipfelt, würde bei der taz im Effekt immer wieder auf ein neues Redaktionspatchwork hinauslaufen, das mit der Zentrale eigentlich nur organisatorisch verbunden wäre. Aus Frankfurt hieß es einmal: „Der Gestus Münchhausens, wie er sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht, wird zum Schema einer jeden Erkenntnis, die mehr sein will als bloßer Entwurf.“

Das ist auch in etwa – wenngleich widerwillig – das Schema einer jeden taz-Rettungsaktion. Im „Rudi-Dutschke-Haus“ würde man sich über einen größeren Investor ebenso freuen. Auch eine „Investorenbeilage“ kann ich mir inzwischen gut vorstellen. Dass die ständige Professionalisierung der taz die Politisierung austrieb, ist ebenfalls nicht nur bedauerlich, weil diese „Anpassungsleistung“ der Besserwisserei entgegenwirkte. Obwohl immer noch viele Texte von Jungautoren als Empfehlungen an die Kapital-Medien abgefasst werden, können sich mittlerweile auch Altautoren über kleine kapitale Aufmerksamkeiten freuen. Allgemein werden ja mit der neuen Ökonomie Gegner und Partner identisch, aber gleichzeitig tun sich auch immer wieder neue soziale Bewegungen auf, die die Arschbacken der Homogenität auseinanderreißen – oder wie soll man sagen?

Da alle propalästinensischen taz-Redakteure inzwischen rot-grüne Politikberater geworden sind, könnte die Zeitung auch noch eine „Jüdische Umschau“ als Beilage anstreben. Ein mit Bauernhaus-Dachisolierung in der Mark gedanklich beschäftigter Mitarbeiter der taz-Geschäftsführung meinte unlängst, das Einzige, was ihn in der Zeitung noch interessiere, seien die Beilagen über „Gesundes Bauen und Wohnen“.

Für mich – ebenso wie für den Holzjournalisten und Parteienpartisan Christian Specht – sind dagegen ihre tagtäglich bevölkerten Redaktionsräume so etwas wie ein Basislager im besten Sinne.

Auch wenn ich einmal wütend pausierte.

Die politische Gleichschaltung kommt aus der Elektrotechnik, die sich zu den neuen Medien mauserte: Dabei fließt ein und derselbe Strom durch alle Glühlampen. Gegen den Wechselstrom zu schwimmen, das würde im konkreten Fall heißen, sich gänzlich von den Nachrichtenquellen abzukoppeln, die all die anderen speisen. Ökonomisch ist das vielleicht wenig sinnvoll, aber die Ununterscheidbarkeit führt ganz sicher in den Konkurs, d. h.: „Verliebe dich nicht in die Macht!“

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