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Ein Fußballfeld zum Segeln

Match Race der Segler am Wannsee: Olympiateilnehmer Jochen Schümann sorgt für Aufregung, denn bei der nächsten Hochseeregatta um den America’s Cup startet der Berliner für die Schweiz

von MARTIN KRAUSS

Der Wannsee war am Wochenende so groß wie ein Fußballfeld. Größer musste er nämlich nicht sein, denn für das Match Race der Segler reichte das völlig aus. In ihren H-Booten trugen elf Skipper von Freitag bis Sonntag ihre Duelle aus. Das Match Race ist, so heißt es in den Presseunterlagen, „der Kampf Mann gegen Mann oder besser gesagt Boot gegen Boot, der Boxkampf oder das Tennismatch auf dem Wasser“. Jede der Drei-Mann-Crews muss gegen jede antreten, sie müssen zweimal um einen von zwei Bojen markierten Kurs segeln, und am Ende ist eine Crew schneller.

So wurde in zwei Gruppen eine Vorrunde bestritten, dann gab es ein Halbfinale „Best of Five“, und gestern fand dann der Showdown statt. Das Besondere des Match Race, was es von anderen Segelwettbewerben unterscheidet, ist seine Zuschauerfreundlichkeit: Zum vergleichsweise kleinen Austragungsort fahren Zuschauerboote, von denen aus man jedes Wendemanöver genau beurteilen und sogar den Akteuren ins Boot gucken kann. Die meisten Blicke der Zuschauer wie auch der Journalisten richteten sich am Wochenende auf das Boot, an dem hinten ein kleines Fähnlein mit dem Aufdruck „JS“ wehte: Jochen Schümann aus Berlin, dreifacher Olympiasieger (1976, 1988, 1996) und in Sydney nach umstrittenen Schiedsrichterentscheidungen Zweiter geworden.

Schümann hatte in der Vorwoche für Nachrichten gesorgt: Zum einen, dass er als Steuermann für ein Schweizer Team mit neuseeländischem Skipper an der nächsten Hochseeregatta um den America’s Cup teilnehmen wird, und zum anderen, dass er nicht zu dem deutschen Boot zählen wird, das erstmals bei diesem größten und legendärsten Segelwettbewerb der Geschichte starten wird. Der America’s Cup, ein seit 1851 ausgetragenes Rennen zwischen Nordamerika und Europa, wird im September 2001 starten und nach über 32.500 Meilen im Juni 2002 in Kiel enden.

Am Mittwoch verkündete der Leverkusener Unternehmer Michael Illbruck in Hamburg, dass er ein deutsches Boot finanzieren wird: Die Crew kommt zum größten Teil aus Neuseeland, Skipper wird der Amerikaner John Kostecki sein. Schümann hatte sich, als in der Seglergemeinde erste Gerüchte laut wurden, dass Illbruck ein America’s-Cup-Engagement plant, schriftlich an den Unternehmer gewandt und kein Geheimnis daraus gemacht, dass er gern dabei wäre. „Ein freundlicher Antwortbrief traf bei mir ein, in dem Illbruck mit keinem Wort anklingen ließ, dass ein Interesse an meiner Verpflichtung bestanden hätte.“

Schümann, der schon – auch damals mit einem Schweizer Team – America’s-Cup-Erfahrung sammeln konnte, hatte seine Vertragsunterzeichnung extra lange zurückgehalten: „Ich wäre gern mit einem deutschen Boot gefahren.“ Von der deutschen Firma ist Schümann enttäuscht. Zwar habe Illbruck den Ruf, professionelle Projekte zu fördern: Schon seit Jahren nimmt das Unternehmen am Volvo Ocean Race teil – ein Rennen der Spitzenklasse, aber immer noch nicht so bedeutend wie der America’s Cup. „Problematisch dürfte für die sein, dass sie auf zwei Hochzeiten tanzen.“

Noch sind die Boote nicht gebaut, die Crews nicht endgültig zusammengestellt, aber dennoch sieht Schümann eventuelle Siegchancen eher bei seinem Schweizer Team denn beim Team Germany. In Leverkusen/Düsseldorf plant man langfristig: 2001/2002 will man dabei sein, und erst im Wettbewerb 2005/2006 „richten wir unseren Fokus auf einen Sieg“, wie Michael Illbruck formulierte.

Von diesen Sphären ist der Wannsee und sein 9. Match Race noch ein bisschen entfernt: Es gilt international als eine Veranstaltung zweiten Grades. Bester H-Boot-Match Racer in Berlin war der Däne Jesper Radich Johansen, der auf der Weltrangliste Platz 8 belegt. Schümann, der sich in diesem Jahr vor allem in seinem Soling-Boot auf die Olympischen Spiele vorbereitete und wenig H-Boot fuhr, war auf Platz 18 zurückgefallen. H-Boote sind zwar ähnlich wie Soling-Boote, unterscheiden sich aber letztlich im Kiel und durch die hinzukommende Kajüte von den Solings.

„Die guten Segler kommen hierher, weil sie zum Saisonende noch mal gute Punkte für die Weltrangliste machen können“, meint Udo Pflüger vom mitveranstaltenden Verein Seglerhaus am Wannsee. Mit diesen Voraussetzungen lässt sich der Etat bei der vergleichsweise geringen Summe von 80.000 Mark halten. Die Boote, die unter den Seglern ausgelost werden, stellen Privatleute, die Unterkunft erfolgt im schönen Vereinshaus mit Blick auf den Wannsee.

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