: Den Bruch anerkennen
Trennungs- und Scheidungsgruppen für Kinder sollen dauerhafte Störungen der Entwicklung verhindern. Jede zweite Ehe wird in der Hauptstadt geschieden
Der Raum ist zweigeteilt: in eine „Mutter-“ und in eine „Vaterhälfte“. Kinder rennen herum, es läuft Musik. Plötzlich stoppt das Tonband, und die Kinder müssen stehen bleiben. Je nachdem, wo sie sich befinden, werden sie von den beiden anwesenden Psychologinnen gefragt, wie es sich auf der Vater- oder Mutterseite anfühlt und welche Problem sie damit haben.
Mit dem Bewegungsspiel „Zerissenheit“ sollen Kinder lernen, Trennungen ihrer Eltern besser zu verarbeiten, ohne dass es zu dauerhaften Entwicklungsstörungen kommt. „Der Bedarf für Trennungs-und Scheidungskindergruppen ist sehr groß“, sagt die Kinderpsychotherapeutin Ingrid van Dorsten-Gnädig, die jetzt erstmals gruppenpädagogische Kurse im Kreuzberger Zentrum für Scheidungsberatung und Mediation anbietet. Bundesweit werden jährlich 130.000 Ehen geschieden. Betroffen sind davon 140.000 Kinder. Dazu kommen dann noch die Kinder aus nicht ehelichen Lebensgemeinschaften. Eine Statistik darüber gibt es nicht. In Berlin wird jede zweite Ehe geschieden.
In der Regel sind es die Kinder, die am stärksten von der Trennung ihrer Eltern betroffen sind. Die Folgen können fatal sein. Die Psychotherapeutin hat Depressionen, Aggressionen, Leistungsverweigerungen, aber auch Suchtanfälligkeiten beobachtet. Oft werden die Kinder von den Eltern als Ersatzpartner instrumentalisiert.
In dem Gruppenprogramm, das maximal 20 Sitzungen dauert und alterspezifisch unterteilt ist, soll Raum gegeben werden, sich mit anderen Kindern auszutauschen. Ziel sei es, so van Dorsten-Gnädig, dass Kinder aus „ihrer Isolation und Ohnmacht“ heraustreten und ein realistischeres Bild über die Scheidung der Eltern bekommen.
JULIA NAUMANN
Die Kindergruppen werden für 5- bis 12-Jährige angeboten und sind kostenlos. Weitere Informationen bei: „Zusammenwirken im Familienkonflikt“, Mehringdamm 51, Tel.: 861 01 95 oder 854 96 06
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