: Offen statt obszön
Peter Conradi, Mitglied der Expertenkommission zum Berliner Schlossplatz, will einen öffentlichen Ort wie das Centre Pompidou in Paris. Eine private Nutzung durch Hotels oder Büros findet er obszön
von UWE RADA
Einen öffentlichen Ort wie etwa das Centre Pompidou in Paris fordert der Präsident der Bundesarchitektenkammer, Peter Conradi, für die Nutzung des Berliner Schlossplatzes. Conradi, der am Mittwoch von Bauminister Reinhard Klimmt (SPD) in die „Kommission Historische Mitte Berlin“ berufen wurde, bezeichnete in einem taz-Interview die bisherigen Pläne einer privat finanzierten Nutzung samt Hotel als „obszön“. Am Schlossplatz sollten stattdessen „Lebendigkeit und Fröhlichkeit herrschen“.
Die Äußerungen des Berliner regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU), das Votum der Expertenkommission notfalls zu missachten, kommentierte Conradi mit den Worten, er lasse sich von niemandem eine Einschränkung der Kommissionsarbeit vorschreiben. Conradi wörtlich: „Ich glaube nicht, dass Herr Diepgens Schatten die Kommission beeinträchtigen kann.“ Ähnlich wie Kulturstaatsminister Michael Naumann zählt auch Diepgen zu den Befürwortern einer Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses. Im Gegensatz zu Naumann, Bausenator Strieder oder Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (alle SPD) ist Diepgen aber nicht in der fünfköpfigen Moderatorengruppe vertreten, die die Arbeit der 17-köpfigen Kommission begleiten soll.
Conradi sprach sich dafür aus, im Anschluss an die Empfehlungen der etwa ein Jahr lang arbeitenden Kommission einen internationalen Architektenwettbewerb auszuloben. Dabei sollte auch der Versuch gewagt werden, zeitgenössische Ausdrucksformen für die Bebauung des Schlossplatzes zu finden. Sowohl die Rekonstruktion der Schlossfassade als auch den Wiederaufbau des Palastes der Republik bezeichnete der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete als „rückwärts gerichtete Vorstellungen“ und als „nostalgische Symbole“, die dazu dienten, „der Angst der Menschen vor der Zukunft entgegenzuwirken“. Eine Rekonstruktion der Schlossfassade komme für ihn deshalb nur in Frage, wenn „die heutige Architektenschaft nicht in der Lage ist, dort etwas Gutes zu bauen“.
Während der Berliner Senat und die alte Bundesregierung zuletzt in einem „Interessenbekundungsverfahren“ nach privaten Investoren gesucht hatten, die den Bau am Schlossplatz finanzierten, sprach sich Conradi dafür aus, diese Aufgabe öffentlich zu finanzieren. Ein Einbringen der Grundstücke durch den Bund, wie bislang vorgesehen, reiche dafür nicht aus. „Wenn der Bundestag für eine öffntliche Nutzung ist, wird auch das Geld dafür da sein“, so Conradi.
Zugleich sprach sich Conradi, der seit Jahren als Vertreter der „Demokratie als Bauherr“ gilt, dafür aus, sich Zeit für die Entscheidungen zu nehmen und sie aus dem Bundestagswahlkampf 2002 herauszuhalten.
Interview SEITE 21
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