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Wenn Anstalten Anstalten machen

Die Kooperation zwischen dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) und dem Sender Freies Berlin (SFB) liegt auf Eis und droht zu scheitern. Zu verschieden die Interessen. Zu verschieden auch die Mentalitäten des identitätsstiftenden Neuaufbaus ORB und des ehemaligen Frontstadtsenders SFB

von ARNO FRANK

Es ist trist, doch ändert sich nichts. Meistens herrscht Flaute, und kalt ist es sowieso. Die Rede ist nicht vom Himmel über Berlin und Brandenburg, sondern von jenen, die sich um ihn streiten – die Sender Freies Berlin und Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg. Über zwei Wochen sind schon verstrichen, seit nicht nur ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer „keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit“ mehr sah und die Verhandlungen auf Eis gelegt wurden.

Seitdem herrscht Funkstille zwischen den beiden Anstalten, die doch 1997 noch ihre Verlobung bekannt gegeben hatten. Beide waren damals von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg zu einer vermeintlich wegweisenden Hörfunkkooperation gedrängt worden. Die Behörde vergab an ORB und SFB jeweils vier Frequenzen mit der Auflage, mindestens zwei UKW-Programme gemeinsam zu betreiben, unter anderem, um einer Fusion Vorschub zu leisten. Die nämlich war von der ARD als sinnvoll erachtet und anlässlich der letzten Gebührendebatte auch kontrovers diskutiert worden: Wo eine Länderfusion aus Berlin und Brandenburg erwogen wurde, schien eine Kooperation der Anstalten auch aus Kostengründen opportun. Was SWF und SDR im Südwesten mit der Bildung des SWR gelungen ist, sollte auch im Osten möglich sein.

Doch zusammen „wollen“ die beiden Sendehäuser auf keinen grünen Zweig kommen – zu unterschiedlich sind die Wurzeln der beiden Anstalten. Während der ORB als identitätsstiftende Neubildung gilt, ging der SFB aus dem NWDR hervor – der von den Alliierten installierten norddeutschen Großanstalt.

Als 1990 der Osten an den Westen fiel, wurde dergleichen auch für die neuen Länder erwogen, doch die eine große Anstalt für alle ostdeutschen Länder kam bekanntlich nie zustande. Wohl aber der MDR für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Und obschon der SFB mit dem Engagement des ehemaligen Frontsenders eine leitende Rolle bei der Neuordnung des ostdeutschen Rundfunks beanspruchte, bekam Brandenburg seinen ORB, fiel Mecklenburg-Vorpommern an den NDR.

Kein Wunder also, dass der SFB bei Kooperationen des ORB mit dem NDR mürrisch abseits steht. ORB und SFB wollten die defizitären „Radio Kultur“ und „Radio 3“ zusammenlegen, der ORB aber wollte darüber hinaus den NDR ins Boot holen – mit einem Programmanteil von 30 Prozent, was weder die betroffenen SFB-Mitarbeiter noch der Programmausschuss akzeptieren mochten. Nun sendet der ORB mit dem NDR fröhlich nach Berlin hinein, wo er der SFB-eigenen Kulturwelle Binnenkonkurrenz macht.

So schlecht die Voraussetzungen für eine Einigung sind, so zäh und kleinteilig gestalteten sich die Verhandlungen: Zuletzt hatten sich die Geschäftsleitungen auf Kooperationen bei „Radio 1“,„InfoRadio“, „Radio Kultur“ und dem Jugendsender „Fritz“ geeinigt – mit einem ausgeklügelten Geflecht an Beteiligungen. Demnach hätte der SFB sein Stadtprogramm „88.8“ und „Radio Multikulti“ allein veranstalten müssen, während der ORB seine Landeswelle „Antenne Brandenburg“ alleine und „Radio 3“ in Kooperation mit dem NDR betrieben hätte. Ein Kompromiss, der nach Darstellung des ORB-Intendanten Hansjürgen Rosenbauer vom SFB-Programmausschuss mit neuen Forderungen belastet und dadurch gekippt worden ist.

Der Kompromiss kippt

Als der SFB eine finanzielle ORB-Beteiligung an „Radio Multikulti“ sowie eine personelle Beteiligung an „InfoRadio“ einforderte, betrachtete Rosenbauer die Gespräche als gescheitert: „Wenn der ORB nur dann ein akzeptabler Partner für die Landesrundfunkanstalt in Berlin ist, wenn er sich nach deren Wünschen und Forderungen richtet, dann sehe ich derzeit keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit, weder bei ‚Fritz’ noch bei ‚Radio 1’ noch bei ‚InfoRadio’.“ Im Gegenzug erklärte SFB-Intendant Horst Schättle, „im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ zu weiteren Verhandlungen bereit zu sein, schloss aber einen Alleingang des SFB nicht aus.

Rosenbauer erklärte zwar, sich „nach einer Denkpause im Laufe des nächsten Jahres wieder an einen Tisch“ mit den Berlinern setzen zu wollen, reichte derweil aber den schwarzen Peter an die Politik weiter. Bei der anstehenden Novellierung des Medienstaatsvertrags sollten doch bitte Nägel mit Köpfen gemacht werden. Er erwarte klare Vorgaben, ob SFB und ORB nun fusionieren sollten. Wenn nicht, so müssten dem ORB doch endlich „die vier im Staatsvertrag vorgesehenen flächendeckenden Frequenzen auch ohne Kooperationsverpflichtung zur Grundversorgung Brandenburgs“ zugesprochen werden. Im Übrigen könne man ja auch abwarten, bis die ebenfalls fragwürdige Länderfusion zwischen Berlin und Brandenburg unter Dach und Fach sei – also bis zum Sankt Nimmerleinstag.

Den Hörern freilich kann es gleichgültig sein: Würden dereinst SFB und ORB irgendwann doch noch fusionieren, so hätte dies bei Ausnutzung der Synergieeffekte ein leicht eingeschränktes, gleichwohl aber qualitativ gesichertes öffentlich-rechtliches Angebot zur Folge. Gegenwärtig aber sieht es so aus, als wolle jedes Haus künftig seine eigenen vier Frequenzen nach eigenem Gusto gestalten – ungeachtet der finanziellen Mehrbelastung und womöglich auf Kosten der Qualität.

Zwar wird in Berlin und Potsdam auf Anfrage gerne vorgerechnet, dass beide Häuser Grundversorgung und Programmvielfalt auch im Alleingang gewährleisten könnten. Damit aber würden sich die beiden kleinen Anstalten noch stärker vom ARD-Finanzausgleich abhängig machen. Und zwei ehrgeizige Patienten mehr am Tropf stärken nicht gerade den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

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