piwik no script img

Teilverkauf: „Töricht“

Bahnexperte Gerd Aberle sieht die Deutsche Bahn AG wieder da, wo sie angefangen hat: als zentralistisches und lahmes Staatsunternehmen

Interview THORSTEN DENKLER

 taz: Herr Aberle, jedes Jahr neue Milliardenlöcher bei der Bahn. Sollte Bahnchef Mehdorn den Laden nicht einfach dichtmachen?

Gerd Aberle: Nein, das wäre die falsche Entscheidung. Es geht nicht ums Dichtmachen, es geht um Neustruktuierung.

Sie halten die Bahnreform für gescheitert?

An sich ist die Bahnreform ganz ordentlich gelaufen, was die Möglichkeiten der Kostenreduzierung angeht. Was überhaupt nicht gelaufen ist, das ist die notwendige Erlössteigerung. Auf den Märkten hat sich die Bahn vor allem im Güterverkehr überhaupt nicht positionieren können. Da gibt es erhebliche Qualitätsmängel. Ein weiteres Problem sind die Mischnetze. Der Güterverkehrs muss immer hintanstehen. Damit kann man nicht wettbewerbsfähig agieren. Wir müssen das Netz entmischen und zumindest teilweise eigene Güterverkehrsstrecken bauen.

Wann wird sich die Bahn besinnen und die DB Netz endlich an den Bund zurückgeben?

Das will ja nun der Bahnvorstand nicht. Der wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen. Der amtierende Vorstandsvorsitzende bringt stattdessen die einzelenen Unternehmen wieder ganz nah zusammen. Die Aktiengesellschaften, Regio, Cargo, Netz, Reise und Touristik, die sind ja nur noch auf dem Papier da. Alle Entscheidungen laufen über eine extrem starke Holding – bis in den operativen Bereich hinein. Wir haben die gleiche Situation wie früher bei der deutschen Bundesbahn. Da dauerte auch alles so furchtbar lange, weil alles zentriert war.

Mehdorn will ein Viertel des Unternehmes verkaufen. Wer will denn einen Laden kaufen, der chronisch Miese macht?

Das frage ich Sie. Mich wundert das wirklich sehr. Es gibt natürlich ein paar kleine Filetstücke. Da wird gutes Geld verdient. Aber das wäre ja wirklich töricht, diese zu verkaufen und hinterher mit dem Rest wieder in die Krise zu gehen. Ich halte das für zu kurz gegriffen.

Der neue Cargo-Vorstand, Bernd Mahlström, hat angekündigt, veraltete Güterbahnhöfe zu schließen. Ist dies das neue Konzept, mehr Güter auf die Schiene zu bringen?

Man kann damit sicher nicht das System Güterverkehr sanieren. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, aber das fehlt bislang. Es kann das Ergebnis eines Gesamtkonzeptes sein, dass man sagt: Wir schließen einiges, oder wir übertragen Teile auf dritte Bahnen, etwa auf private Güterverkehrsbahnen. Die arbeiten flexibler und kostengünstiger. Jetzt einfach zu sagen: Ich greife mir zwanzig, dreißig Bahnhöfe raus und setze sie still, das ist doch nur ein Kurzfristerfolg.

Wird die Bahn noch in dieser Dekade börsenreif?

Ich glaube, vor 2010 wird das nichts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen